Von Maria Gruber
Man nehme ein Konzept mit mehr oder weniger sinnvollen
Vorschlägen, reiße ihm das Herzstück heraus und zerpflücke es bis zur
Unkenntlichkeit: So ungefähr ist es dem Paket gegen Altersarmut von
CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ergangen. Und die
Demontage ist noch lange nicht vorbei: Die schwarz-gelbe Koalition
hat mit der Diskussion über die Rentenreform demonstriert, wie es
aussieht, wenn eine Regierung an ihren eigenen Ansprüchen scheitert.
Im Herbst 2011 hat die Bundesregierung den Rentendialog angestoßen,
seither Ideen gesammelt, Vorschläge ausgearbeitet, wieder verworfen
und neue Modelle aufgestellt. Als die Bundesarbeitsministerin fast
ein Jahr später, im August 2012, ihr Modell präsentierte, durfte man
also durchaus davon ausgehen, dass es den ein oder anderen
Kommunikations- und Verständigungsprozess durchlaufen hat, an dem
auch die Koalitionspartner beteiligt waren. Offenbar nicht: Auf die
Vorstellung des Pakets gegen Altersarmut folgte ein Koalitionsstreit,
der sich gewaschen hat und bis heute noch nicht gelöst ist. Nicht
einmal ein Koalitionsgipfel konnte helfen. Vielmehr war dessen
Ergebnis Ausgangspunkt neuer Streitigkeiten. Der Grund: Jeder
interpretierte in den Beschluss hinein, was ihm gerade gefiel – ein
Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte, möchte man als
Bundesregierung auch nur einen halbwegs vernünftigen Eindruck bei den
Wählern hinterlassen. Auch inhaltlich ist das Konzept am Ende. Schon
die Zuschussrente war reine Symbolpolitik. Aufgrund der hohen
Zugangsvoraussetzungen – 40 Versicherungs-, 30 Beitragsjahre und
private Vorsorge – wäre sie für kaum jemanden in Frage gekommen – und
somit auch nicht dazu geeignet gewesen, Altersarmut zu verhindern.
Welche Frau hat schon 30 Erwerbsjahre vorzuweisen, wenn sie erst für
die Kindererziehung und dann vielleicht für die Pflege von
Angehörigen zuständig war? Und welcher Geringverdiener hat den
finanziellen Spielraum, um Geld für eine zusätzliche Altersvorsorge
wegzulegen? Wer die extrem hohen Hürden der Zuschussrente dennoch
bewältigt hätte, wäre wenigstens mit einem einigermaßen akzeptablen
Betrag belohnt worden: 850 Euro hatte Ursula von der Leyen einmal als
Obergrenze festgelegt. Nachdem per Koalitionsbeschluss die
Höchstgrenze für die Lebensleistungsrente auf ein Niveau knapp
oberhalb der Grundsicherung von durchschnittlich 680 Euro gestutzt
wurde, mutierte die Reform zur Makulatur. Es als Anerkennung von
Lebensleistung zu bezeichnen, wenn jemand für jahrzehntelange
Schufterei ein paar Peanuts mehr als die Grundsicherung bekommt, ist
schon eine eigenartige Form der Wertschätzung. Kann jetzt nur noch
ein „nationaler Rentenkonsens“ helfen, wie ihn SPD-Chef Sigmar
Gabriel Ursula von der Leyen angeboten hat? Die Antwort lautet: Ja.
Vor der Bundestagswahl wird es zwar keine solche Lösung mehr geben.
Die Union will sich nicht dem Verdacht aussetzen, schon jetzt eine
Koalitionsentscheidung getroffen zu haben, indem sie mit der SPD eine
überparteiliche Lösung findet – die einem Thema wie der Rente
durchaus angemessen ist. Die Sozialdemokraten hingegen werden alles
daran setzen, in den nächsten acht Monaten die Unterschiede zur Union
herauszuarbeiten – bevor sie höchstwahrscheinlich eine große
Koalition mit ihr eingehen. Und in dieser liegt die Hoffnung auf eine
vernünftige Lösung – die nicht nur Symbolpolitik betreibt, sondern
dort ansetzt, wo Altersarmut beginnt: auf dem Arbeitsmarkt.
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