Von Christine Schröpf
   Was soll der Aufschrei? Bayern zieht zu Recht vor das 
Bundesverfassungsgericht. Warum soll dem Freistaat verboten sein, was
viele andere Institutionen oder Parteien zum Klären vom 
Grundsatzfragen ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen? 
Bei allen Risiken, die ein Gerichtsverfahren immer birgt: Wer 2011 
mit 3,66 Milliarden Euro mehr als die Hälfte des 
Länderfinanzausgleichs alleine stemmt und bei Gesprächen mit den 
Nehmerländern über ein Stück mehr Gerechtigkeit gegen die Wand läuft,
darf prüfen lassen, wie weit die Solidarität eines starken mit 
schwächeren Bundesländern gehen muss – gerade weil ein weiterer 
Anstieg der Zahlungen droht. Mit 3,9 Milliarden Euro rechnet 
Finanzminister Markus Söder im Jahr 2012, mit vier Milliarden 2013 
und mit 4,2 Milliarden im Jahr 2014. Es geht nicht um ein Ende der 
Solidarität. Es geht auch nicht um ein Ende der Handlungsspielräume 
für Bundesländer in Finanznöten. Jede Regierung muss Politik nach 
ihren Visionen gestalten dürfen. Wer Schulden macht, um jungen Leuten
beispielsweise Studiengebühren zu ersparen, investiert in die 
Zukunft. Andere Regeln gelten für Bundesländer, die aus chronischer 
Misswirtschaft in den Miesen sind. Ihre Kassen ständig neu zu füllen,
ist nicht solidarisch, sondern fahrlässig. Wobei die Grenzen oft 
fließend sind. Beispiel Berlin, das mit rund drei Milliarden Euro am 
meisten vom Finanzausgleich profitiert: Die Bundeshauptstadt mit 
ihrer schwierigen Sozialstruktur hat spezielle Unterstützung verdient
– aber keinen Blankoscheck, der alle politischen Fehler abdeckt, wie 
etwa die verheerenden und teuren Schlampereien beim Bau des neuen 
Flughafens. CSU-Chef Horst Seehofer deklariert die Klage gegen den 
Finanzausgleich zum Testfall für bayerische Patrioten: Wer morgen 
beim Dringlichkeitsantrag im Landtag dagegen stimmt, wird damit quasi
zum Verräter am Freistaat. Wahlkampf hin oder her: Geht–s nicht eine 
Nummer kleiner? Doch wahr ist: Warum sollte kein parteiübergreifender
Konsens möglich sein, der dem Verfahren größere Wucht verleiht, 
solange die weiteren großen Geberländer – Baden-Württemberg und 
Hessen – nicht mit an Bord sind? Auch die SPD greift in die 
Wahlkampftrickkiste: SPD-Spitzenkandidat Christian Ude nennt die 
Klage einen CSU-Offenbarungseid und das Eingeständnis eines 
kläglichen Versagens – schließlich seien die aktuellen Regelungen vor
gut zehn Jahren von Stoiber ausgehandelt worden. Doch zehn Jahre sind
im politischen Geschäft eine Ewigkeit und kein Grund, 
Fehlentwicklungen nicht zu korrigieren. Die Zahlungen an den 
Länderfinanzausgleich waren erst seit 2008 deutlich angestiegen. In 
der Sache ist Ude ohnehin mit der CSU einer Meinung: Bayern ist über 
das Maß belastet, die Regelungen müssen korrigiert werden. Nur beim 
Weg zum Ziel setzt er auf weitere Gespräche, statt auf die aus seiner
Sicht riskante Klage. Doch Gespräche fruchten nichts. Die 
Nehmerländer halten Bayern hin und pochen auf ihre Pfründe – aus 
ihrer Sicht sogar verständlich. Auch die besten SPD-Finanzdiplomaten 
würden da auf Granit beißen. Die Drohung mit dem 
Bundesverfassungsgericht zeigt dagegen bereits Wirkung. Die heftigen 
Reaktionen sind der beste Beweis: Seehofer hat einen Nerv getroffen. 
Die Nehmerländer sind berechtigt in Sorge, dass das 
Bundesverfassungsgericht den Geldfluss dezimieren könnte. Das bringt 
in letzter Minute noch Bewegung ins Spiel. Eine Einigung ist immer 
noch möglich. Schließlich wird die juristisch komplexe Klage von 
Bayern erst im November eingereicht.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion 
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Weitere Informationen unter:
http://
