Mittelbayerische Zeitung: Seehofers Trümpfe / Kommentar zum CSU-Machtkampf

Horst Seehofer steht mit dem Rücken zur Wand.
Aber er hält zwei starke Asse in der Hand: Die CSU, die ihn so gerne
stürzen würde, kann ihn de facto nicht zum Abdanken als
Ministerpräsident zwingen. Die Landtagsfraktion kann zudem im
Machtkampf nur große, nicht größtmögliche Brutalität walten lassen,
um ihren bisherigen Frontmann zu zermürben. Sie würde sonst im
Landtagswahlkampf 2018 von den Bürgern als stillos abgestraft. Das
gute Blatt eröffnet Seehofer eine gesichtswahrende Exitstrategie:
Sofern er in München einem Nachfolger freiwillig das Feld räumt,
macht ihm keiner den Posten des Parteichefs streitig. Ihm bliebe auch
die Option, als Bundesminister ins nächste Kabinett von Kanzlerin
Angela Merkel zu wechseln. Ob Seehofer sich darauf einlässt, bleibt
fraglich. Das Szenario würde wohl bedeuten, dass Erzrivale Markus
Söder frühzeitig in die Staatskanzlei einzieht. Der Mann also, den er
immer mit aller Macht verhindern wollte. Bei der Spitzenkandidatur
2018 läuft bereits alles auf den Finanzminister zu. Die
Landtagsfraktion wird ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit für diesen
Posten nominieren. Einzig Innenminister Joachim Herrmann werden noch
Chancen eingeräumt, sofern er nach Zählung seiner Unterstützer
tatsächlich gegen Söder in den Ring steigt. Alles ist derzeit in der
CSU möglich, und auch das Gegenteil, wird im Landtag gewitzelt.
Schwer vorstellbar ist jedenfalls, dass der gewiefte Politstratege
Seehofer vor dem CSU-Parteitag im Dezember bzw. einer
Regierungsbildung in Berlin als Ministerpräsident abtritt. Absprachen
hin oder her: Hat er seinen Rücktritt erst einmal öffentlich erklärt,
ist er seinen stärksten Trumpf los.

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