Von Jochen Wittmann
Meckern, Murren, Klagen: Wenn es dafür eine olympische Medaille
gäbe, hätten die Briten schon jetzt Gold sicher. Da darf London als
einzige Stadt der Welt zum dritten Mal die Olympischen Sommerspiele
ausrichten, und was fällt den Briten dazu ein? Meckern, Murren,
Klagen. Die Kosten, jammern sie, das Verkehrschaos, der Overkill bei
der Sicherheit! Und dann wollen am Tag vor der Eröffnung auch noch
die Grenzschützer streiken. Diese Spiele, sollte man den Eindruck
haben, können gar nichts anderes als ein Fiasko werden. Werden sie
aber nicht. Denn wer da meckert, murrt und klagt, ist nicht der Mann
auf der Straße, sondern die Leute, die Überschriften komponieren und
Kommentare schreiben: die Medien also. Und man muss hinzufügen: Es
sind die Londoner Medien, denn draußen im Land ist die Stimmung weit
positiver. Doch die Meinungsmacher in der Kapitale folgen dem
altehrwürdigen Ritual, dass bei Großveranstaltungen im Vorfeld erst
alles schlecht geredet werden muss. Das senkt die Erwartungen, und
wenn hinterher alles gut läuft, steht man umso besser da. Oder, wie
es Londons Bürgermeister Boris Johnson erklärt: „Es ist psychologisch
unabdingbar, durch diese Phase zu gehen, um die Freude und das
Hochgefühl zu intensivieren.“ Recht hat er. Und wenn Johnson des
Weiteren vor „olympischem Angsthasentum“ warnt und an seine
Landsleute appelliert: „Wir liegen im Zeitplan, also hört mit der
Panik auf!“ kann man ihm nur zustimmen. Doch er sollte sich keine
allzu großen Sorgen machen. Denn es gibt genug Anzeichen, dass die
Stimmung des Pessimismus zum einen primär mediengeleitet ist und zum
anderen auf den letzten Löchern pfeift. Der anschwellende Jubelgesang
über die „großartigste Show auf Erden“ ist schon zu vernehmen. Bei
keiner anderen Olympiade wurden so viele Tickets im Kartenvorverkauf
abgesetzt. 70 000 ehrenamtliche Helfer haben sich gefunden, die bis
zum September Zeit und Geld opfern werden, um die Spiele zum Erfolg
zu machen. Der Fackellauf, der seit Ende Mai durch das ganze
Königreich zog, übertraf alle Erwartungen und hat Millionen Menschen
auf die Straßen gebracht. Und als die olympische Flamme am Freitag in
London eintraf, wurde deutlich, dass jetzt auch die Zitadelle der
Olympia-Miesepetrigkeit sturmreif ist. Übers Wochenende wurde die
Fackel durch Greenwich und Hackney, durch Bexley und Redbridge
getragen, und überall in diesen Londoner Stadtteilen kamen die Leute
zu Tausenden, um das Spektakel zu erleben. Die Stimmung, das wurde
deutlich, ist nicht skeptisch, sondern voller Vorfreude. Die Londoner
wollen Party. Sicherlich, es hat geholfen, dass der Sommer endlich
nach Großbritannien gekommen ist und die Temperaturen in den nächsten
Tagen sich gen 30 Grad bewegen werden. Auch hebt es die Stimmung,
dass mit Bradley Wiggins– Erfolg in der Tour de France schon einer
erster sportlicher Triumph vor der Eröffnung gefeiert werden darf.
Aber es ist auch ganz einfach der Wunsch der Briten, eine schöne Zeit
haben zu wollen, der sich jetzt Bahn bricht. Ab jetzt, darf man
sicher sein, wird gejubelt werden. Es sei denn, der Super-GAU trifft
ein. Wenn zum Beispiel, wie es die israelischen Sicherheitsdienste
befürchten, zum 40. Jahrestag des Münchener Olympia-Massakers in
London eine Neuauflage inszeniert wird. Aber so etwas möchte niemand,
wirklich niemand diesen Spielen wünschen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Weitere Informationen unter:
http://