Mittelbayerische Zeitung: Stoppt die Waffennarren

Von Stefan Stark

Es ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten: Soeben sind 20
Grundschulkinder von einem bis an die Zähne bewaffneten Amokläufer
kaltblütig ermordet worden. Auch sechs Lehrer starben im Kugelhagel,
weil sich sie schützend vor die Kleinen stellten. Die Leichen der
Opfer sind gerade erst abtransportiert, da geht ein amerikanischer
Waffenlobbyist an die Öffentlichkeit, und macht die relativ strengen
Waffengesetze in Connecticut dafür verantwortlich, dass es zu diesem
Blutbad kam. Hätten die Lehrer Revolver getragen – lautet seine krude
Argumentation – hätten sie sich gegen den Schützen wehren können. In
Europa schüttelt man über so etwas den Kopf und fragt, was eigentlich
noch alles passieren muss, damit sich nicht jeder völlig legal bis an
die Zähne bewaffnen kann. Denn mit den laxen Regeln in den USA kann
sich sogar ein bislang unauffälliger Bubi zum mordenden Rambo
verwandeln. Nach jedem Amoklauf in den USA laufen dieselben Rituale
ab. Eine Minderheit kritischer Bürger und Politiker fordert strengere
Regeln für den Kauf und den Besitz von Gewehren und Pistolen. Eine
Mehrheit in der Bevölkerung lehnt dies – assistiert von Lobbyisten
und Prominenten – als inakzeptablen Eingriff in die Grundrechte ab.
Nicht die Waffe töte, sondern die Menschen – diese These der
mächtigen National Rifle Assosication stößt auf breite Akzeptanz. Und
bei jeder Debatte über die Waffengesetze kochen die Emotionen so
hoch, dass man meinen könnte, jemand wolle den Amerikanern das
Autofahren verbieten. Dabei sind in den USA bereits bis zu 300
Millionen Waffen in Umlauf. Rein statistisch besitzt fast jeder
US-Bürger ein Schusseisen – von der Mini-Pistole für die feine Lady
bis hin zum schweren Maschinengewehr. Jahr für Jahr sterben 30 000
Amerikaner durch Feuerwaffen. Auch wenn einzelne Bundesstaaten in der
Vergangenheit schärfere Regeln für den Waffenkauf eingeführt haben –
in manchen Gegenden sind Gewehre frei verkäuflich, die bei uns unter
das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Niemand – kein Sportschütze,
kein Jäger und auch keiner, der sich selbst verteidigen will –
braucht eine Knarre mit einem 100-Schuss-Magazin. Doch in manchen
Gegenden Amerikas ist es einfacher, an eine Maschinenpistole zu
kommen, als an eine Flasche Whiskey. Umso gespannter darf man nun
sein, was Barack Obama genau meinte, als er nach dem Schulmassaker
„entscheidende Maßnahmen“ forderte, um eine erneute Tragödie wie in
Newtown zu verhindern. Es wäre den Amerikanern zu wünschen, dass der
Präsident es endlich mit der mächtigen Waffenlobby aufnimmt. Da er in
seiner zweiten Amtszeit nicht mehr um eine Wiederwahl kämpfen muss,
bräuchte er keine Rücksicht mehr nehmen. Die Frage ist, ob Obamas
Demokraten, deren Unterstützung der Präsident in diesem Kampf
bräuchte, hier mitziehen. Denn auch von ihnen nehmen viele die
großzügigen Spendenschecks der Waffenhersteller entgegen. Dennoch
wäre es wichtig, dass Obama ein Zeichen setzt. Wer, wenn nicht er,
ist in der Lage, den Kindern von Newtown noch einmal eine Stimme zu
geben? Die zahlreichen Schusswaffenopfer in den USA brauchen endlich
eine starke Lobby, die den Bürgern eines einbläut: Gewehre sind kein
Ausdruck der bürgerlichen Freiheit, sondern ein Instrument zum Töten.
Zehntausende Amerikaner müssten nicht sterben, wenn die Regierung den
Privatbesitz von Schusswaffen verbieten würde. Denn mit Fäusten und
Messern lassen sich keine Massenmorde begehen.

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