Dies ist nicht die Stunde des Hasses, sondern
der Trauer. Trauer um die Opfer dieser sinnlosen Tat, die an einem
Tag kurz vor Weihnachten, auf einem Weihnachtsmarkt starben oder
verletzt wurden. Die Bluttat von Berlin ist vielleicht der lange
befürchtete Anschlag auf unsere Werte, eine Kriegserklärung.
Vielleicht. Aber nur, wenn wir es zulassen. Noch in der Nacht dieses
19. Dezember, als nichts klar war, als keine Fakten feststanden,
waren die Urteile gefällt. Die Bundeskanzlerin habe Schuld an allem.
Sie habe die Flüchtlinge ins Land geholt und so den Terror und den
Tod, hieß es in den Sozialen Netzwerken. Eine erschreckend einfache
Kausalkette, vor der nicht einmal prominente AfD-Politiker, die im
kommenden Jahr in den Bundestag ziehen wollen, zurückschrecken. Zu
unseren Werten gehört Rechtsstaatlichkeit. In dieser gilt, dass
Menschen unschuldig sind, bis ihre Schuld bewiesen ist. Selbst wenn
der Täter Flüchtling und Muslim sein sollte: Bislang weiß man nichts
über ihn. Selbst wenn der Verdacht fast zwangsläufig erscheint, dass
es sich um einen islamistischen Anschlag handelt: Wir leben in einer
Gesellschaft, in der Recht und Gesetz gelten. Daran müssen sich alle
halten. Auch die Hetzer. Terror will eine Gesellschaft zerstören,
indem er den Zusammenhalt, die Nächstenliebe, die Ordnung durch
Angst, Misstrauen und Gewalt ersetzt. Terror hat sein Ziel erreicht,
wenn es ihm gelingt, Frieden in Unfrieden, Sicherheit in Unsicherheit
und Liebe in Hass zu verwandeln. Taten wie die in Berlin sind dazu
geeignet, genau diesen Umschwung herbeizuführen. Das ist das Ziel der
Attentäter. Die Scharfmacher, die Populisten, deren Ansinnen es
ebenfalls ist, unsere Gesellschaft nach ihren Regeln umzubauen,
helfen ihnen dabei. Dabei gibt es nichts zu beschönigen und nichts zu
entschuldigen an der Tat von Berlin. Wer auch immer aus welchen
Motiven auch immer diese Menschen getötet, sie verletzt hat oder
daran Schuld trägt, dass ihr weiteres Leben beschwerlich sein wird:
Er muss verfolgt und bestraft werden. Wenn sich herausstellt, dass er
unter dem Vorwand, Schutz zu suchen, ins Land gekommen ist, um sich
gegen seine Helfer zu stellen, so ist das ein Schlag ins Gesicht von
uns allen. Aber es ist keine Rechtfertigung für Hass auf alle anderen
Geflüchteten. Es ist verständlich, wenn Menschen sich heute fragen,
was in ihrem Land eigentlich passiert. Oder was da noch kommen wird.
Und ja, es ist nachvollziehbar, dass diese Menschen misstrauisch
werden gegenüber denen, die erst seit kurzem hier leben. Aber dieses
Misstrauen führt letztendlich zu Ausgrenzung. Es ist der erste
Schritt hin zu einer Spaltung unserer Gesellschaft. Ja: Es gibt unter
den Flüchtlingen solche, die unsere Art zu leben ablehnen oder
bewusst mit dem Ziel zu uns kamen, sie zu zerstören. Es wäre
unmenschlich zu verlangen, angesichts dessen, angesichts des Horrors
von Berlin keine Angst zu haben. Aber Vorsicht ist geboten, den
schmalen Grat, der Angst von Hass trennt, nicht zu überschreiten. Auf
dem Spiel steht alles, was unser Land zu dem macht, was es ist.
Unsere Freiheit. Unser Frieden. Es gibt kein Heilmittel gegen den
Terror. Es gibt Möglichkeiten, die Risiken zu vermindern. Mehr
Überwachungen, Grenzkontrollen, mehr Polizei; aber sie wirken nur so
lange, bis wieder etwas passiert. Der Kampf gegen den Terror ist wie
der der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Er kann nie gewonnen werden.
Und doch muss er geführt werden. Alleine schon, um zu zeigen, dass
unsere Gesellschaft es wert ist, sie zu verteidigen.
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