Griechenland ist spätestens Ende Juli pleite –
außer die internationalen Geldgeber überweisen die nächste
Kredittranche in Höhe von zwölf Milliarden Euro. Griechenland steht
am Rande des finanziellen Ruins und was tun die Griechen? Sie
demonstrieren. Sie streiken. Sie liefern sich Straßenschlachten. Sie
debattieren über Neuwahlen. Sie schimpfen auf die Deutschen. Bevor
wir uns allzu sehr über die uneinsichtigen und undankbaren Griechen
mokieren, sollten die Europäer sich aber selbstkritisch hinterfragen.
Wir debattieren über einen Schuldenschnitt. Wir diskutieren über die
Beteiligung der privaten Banken an einem Rettungsplan. Wir planen das
(wievielte?) Treffen der Finanzminister. Wir denken über einen
Rausschmiss Griechenlands aus der Eurozone nach. Wir lassen die
internationalen Finanzmärkte und die Ratingagenturen ungehindert ihre
Spekulationen mit dem europäischen Sorgenkind Nummer 1 treiben.
Europäer und Griechen schreiben sich gegenseitig die Schuld an der
sich weiter aufschaukelnden Krise zu und kehren zu wenig vor der
eigenen Haustür. Manche Griechen bauen darauf, dass die uneinigen
Europäer ihre Auflagen schon noch herabsetzen werden. Manche Griechen
vertrauen darauf, dass die Europäer brav weiter zahlen werden, und
sei es nur aus Sorge um einen sonst drohenden Finanzcrash. Manche
Griechen verweigern sich schlichtweg der Einsicht in die Schwere der
Krise – Schuld haben immer die anderen. Auf den ersten Blick scheint
es Zeitverschwendung zu sein, dass in Griechenland über Neuwahlen
spekuliert wird. Aber vielleicht sind sie sogar unumgänglich. Jede
Regierung, die ihrem Volk massive Einschränkungen vorschreiben will,
braucht dafür eine demokratische Legitimierung. Eine vor dem
Hintergrund der Krise gewählte Regierung könnte sich nicht mehr in
die Ausrede flüchten, man habe dafür kein Mandat. Und die Wähler
hätten nicht mehr die Ausrede, die da oben entscheiden ohne das Volk
gefragt zu haben. Es wird aber auch Zeit, dass die Europäer eine
einheitliche Linie finden. Deutschland und Frankreich blockieren sich
gegenseitig. Vor allem französische Banken haben stark in griechische
Staatsanleihen investiert. Wenn sich Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble mit seinem Vorschlag durchsetzt, private Gläubiger an neuen
Hilfen für Griechenland zu beteiligen, drohen diesen Geldinstituten
massive Einbußen. Die ersten Ratingagenturen haben bereits mit der
Herabstufung französischer Finanzkonzerne gedroht. Die Regierung in
Paris will daher unterstützt von der EU-Kommission und der
Europäischen Zentralbank, die ebenfalls griechische Schrottpapiere
hortet, den privaten Banksektor allenfalls auf freiwilliger Basis an
neuen Griechenland-Hilfen beteiligen – also gar nicht. Es bleibt
abzuwarten, ob Schäuble bei seiner Linie bleibt. Die deutschen
Großbanken haben ihre Griechenland-Papiere bereits weitgehend
abgestoßen – und trotzdem sinkt ihr Börsenkurs. Nur die im Gefolge
der Finanzkrise verstaatlichte Hypo Real Estate hält weiter
Milliarden schwere Anleihen. Zu deutsch heißt das: Wenn die
griechischen Schulden gestreckt werden und die Banken sich beteiligen
müssen, zahlt dafür in Deutschland letztlich der Steuerzahler. Wenn
Griechenland nur mittels staatlich garantierter Hilfen gerettet wird,
zahlt dafür ebenfalls der Steuerzahler. Letztlich kann es dem
deutschen Bürger fast schon egal sein, wie die Griechenland-Hilfe
finanziert wird. Wir Bürger sind auf alle Fälle immer dabei. Die
Entscheidung über das weitere Vorgehen könnte heute beim Treffen des
französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit Kanzlerin Angela
Merkel fallen. Zu hoffen wäre es, denn solange Europa keine klaren
Signale nach Athen sendet, wird vor Ort die Krisenbewältigung nicht
einfacher.
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