Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen
Opfern und ihren Angehörigen.“ Nach 248 quälenden Verhandlungstagen
im NSU-Verfahren hätte dieser Satz der Hauptangeklagten eine
Erleichterung sein können. Dass er es nicht ist, liegt an dem, was
zuvor zu hören war: Beate Zschäpe als Frau mit schwieriger Kindheit,
die sich die falschen Männer ausgesucht hat, die fassungslos und
geschockt war, als sie von deren Bluttaten erfuhr. Sich aber in einem
„emotionalen Dilemma“ befand: Wäre sie zur Polizei gegangen, hätten
ihr selbst mehrere Jahre Haft gedroht. Und ihre zwei Männer, ihre
„Familie“, hätten sich umgebracht. Deswegen konnte sie sich nicht
stellen, deswegen konnte sie das Morden nicht stoppen. Das ist das
Bild, das die neue Verteidigung von Beate Zschäpe zeichnen will. Ein
Bild, das auch Erklärungen für viele der gegen Zschäpe sprechenden
Indizien findet. Beispiel Fingerabdrücke: Die Pistolen hat sie
weggeräumt, weil sie sie nicht sehen wollte, die Zeitungen hat sie
gelesen, weil sie sich nicht nur auf die Erzählungen der beiden Uwes
verlassen wollte. Es ist ein Bild, in dem die beiden Männer, die
geplant und zielgenau neun Migranten und eine Polizistin ermordeten,
zwei Bombenanschläge verübten und mehrere schwere Raubüberfälle
begingen – dass sie das tatsächlich taten und sich mit diesen
Verbrechen auch noch brüsteten, soviel gab Zschäpe immerhin zu – als
frustrierte, perspektivlose und gelangweilte Verlierer gezeichnet
werden. Und mehr noch: In dem Zschäpe selbst sich geradezu als Opfer
stilisiert, das darunter gelitten habe, nichts gegen die Mordserie
unternehmen zu können. Es ist ein Bild, das vielen Erkenntnissen aus
dem bisherigen Verhandlungsverlauf widerspricht. Zschäpe äußert sich
kaum zu den politischen Hintergründen der Taten, Mitwisser und
Komplizen gibt es in ihrer Darstellung – außer dem bekannten V-Mann
Tino Brandt, den sie mehrfach und explizit erwähnt – nicht. Die
Existenz organisierter Strukturen, einer Terrorzelle oder gar einer
terroristischen Vereinigung bestreitet sie ausdrücklich. Das wirft
weit mehr Fragen auf, als es beantwortet. Selbst wenn – mit Blick auf
die Unschuldsvermutung – tatsächlich alles so gewesen ist, wie
Zschäpe es nun dargestellt hat: Ein echtes Zeichen der angeblich
empfundenen Reue wäre es nun, diese Fragen restlos zu beantworten und
damit das Verfahren zu einem schnellen Ende zu bringen – auch im
Sinne der Opfer und ihrer Angehörigen, die noch immer auf Antworten
warten. Das Gegenteil ist der Fall: die Ankündigung, Fragen des
Senats nur schriftlich und Fragen der Nebenklage gar nicht zu
beantworten, lässt eher eine Verzögerung des Prozesses mit fraglichem
Erkenntnisgewinn erwarten. Der groteske Kleinkrieg der beiden neuen
Anwälte gegen die drei ursprünglich bestellten Pflichtverteidiger,
denen sie nicht nur „unprofessionelles und unkollegiales Verhalten“
vorwerfen, sondern auch unterstellen, zum weiteren Prozessverlauf
nicht mehr als Anwesenheit beitragen zu können, weil sie in die neue
Verteidigungsstrategie gar nicht eingeweiht worden seien, tut sein
übriges. Auffällig dabei: Auch hier scheint die Darstellung Zschäpes
als sprachloses Opfer Teil des Plans zu sein. In den eineinhalb
Jahren, die der Prozess bis heute dauert, seien es die drei
Pflichtverteidiger gewesen, die sie nicht reden ließen. Während
Zschäpe angeblich darunter litt. Inwieweit sich dieses sorgfältig
konstruierte Bild der hilflosen Mitläuferin halten lässt, wird sich
in den nächsten Tagen und Wochen des NSU-Prozesses zeigen. Am Tag
nach der lang erwarteten Aussage Beate Zschäpes jedenfalls ist nur
eines klarer als vorher: Die aufrichtige Entschuldigung, die
tatsächlich aufatmen lässt, die wird wohl noch sehr lange auf sich
warten lassen.
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