Mittelbayerische Zeitung: Zukunft und Demokratie / Die jüngsten Ereignisse schaden dem Ansehen unserer Staatsform. Die Menschen reagieren gleichgültig.

von Manfred Sauerer

In die guten Konjunkturnachrichten dieser Woche mischten sich auch
bemerkenswerte Erklärungen zur großen Kauflust der Deutschen.
Angesichts der Schuldenkrise in der Europäischen Union sei das
Vertrauen in die Währung auch hierzulande deutlich gesunken. Folglich
sitze der Euro deutlich lockerer und der Handel könne sich über die
lange vermisste Binnennachfrage freuen. Was da so locker-flockig
daherkommt, ist in Wahrheit ein Alarmzeichen. Trotz wunderbarer
Wirtschaftsdaten hat sich ein gewisser Fatalismus breitgemacht. An
eine bessere Zukunft glauben immer weniger. Überdies gerät unsere
demokratische Grundordnung immer mehr in Bedrängnis. Diejenigen, die
den Menschen tagtäglich die Vorteile dieser Staatsform näher bringen
sollen, schaden ihr in Wahrheit permanent. Das Misstrauen gegenüber
den Repräsentanten des Volkes in den Parlamenten sowie gegen die
Einrichtungen des Staates nimmt weiter zu. Es ist einiges
zusammengekommen in den vergangenen Wochen. Von den Finanzmärkten
getriebene Regierungschefs spannten immer größere Rettungsschirme auf
für Staaten, die skrupellos gigantische Schuldenberge anhäuften.
Sogar die Demokratie musste als Sündenbock herhalten. Die
Argumentation: Gewählte Regierungen haben ja selten das Ziel, durch
Sparprogramme die Finanzen zu ordnen. Sie streben vielmehr mit den
Gedanken an die nächste Wahl eine möglichst große Zufriedenheit der
Menschen an. Die Wohltaten werden dann auf Pump und zulasten der
nächsten Generationen finanziert. Auch nach Regierungswechseln ändert
sich daran selten etwas und schließlich droht wie jetzt in
Griechenland die Staatspleite. Die EU hat nun alle Mühe, dies zu
verhindern und damit auch den Euro zu retten. Als Gegenleistung muss
in den Schuldenländen eisern gespart werden, was die Menschen dort in
Armut und Arbeitslosigkeit treibt. Die Folge sind zumeist Streiks,
Empörung und Hass auf eigene sowie fremde Politiker – und die
Sehnsucht nach einem, der das alles richtet. Der Demokratie tut dies
nicht gut, zumal diese für bestimmte Prozesse einfach Zeit benötigt.
Dass Kanzlerin Angela Merkel für Zusagen zum EU-Rettungsfonds die
Zustimmung des Bundestags braucht, wurde beflissen als Nachteil in
Zeiten von schnellen Entscheidungszwängen gesehen. Letztlich herrscht
also auch im wirtschaftlich hochpotenten Deutschland ein Gutteil
Unsicherheit und Zukunftsangst. Die Armut ist trotz der guten
Konjunktur nicht zurückgegangen und dem Versprechen stetigen
Wachstums schlägt Skepsis entgegen. In solchen Momenten kommt die
Stunde derer, die all den Verunsicherten und Wütenden eine
ideologische Heimat geben möchten. Dazu gehören die Rechten. Auf
deren einschlägigen Internetseiten heißt es sinngemäß: Während für
Milliardenschulden anderer Staaten gezahlt werden müsse, hetzen
Politik und linke Hass-Presse gegen alle aufrecht national Gesinnten.
Dabei sei bisher nur bewiesen, dass der Verfassungsschutz an den
sogenannten Döner-Morden beteiligt gewesen sei. Die politische Klasse
aber reagiere reflexartig mit dem Ruf nach einem NPD-Verbot. – Die
Rechtsradikalen unterstellen also geschickt, dass der demokratische
Staat nur von seinen Problemen ablenken möchte und bieten sich allen,
„die diese Lügen nicht mehr hören wollen“, als Alternative an. Wie
viele fallen darauf herein? Schließlich müssen wir zu Weihnachten zur
Kenntnis nehmen, dass es unser Bundespräsident mit der Wahrheit auch
nicht so genau nimmt. Eben jener Christian Wulff, der vor Jahresfrist
in seiner Ansprache zum Fest die Zukunft der Demokratie als eines
seiner wichtigsten Themen nannte. Dass zu deren Ansehen glaubwürdige
Vertreter in den politischen Ämtern gehören, dürfte ihm klar gewesen
sein. Auch Wulff also hat der Demokratie einen Bärendienst erwiesen.
Wie viele solcher Rückschläge hält sie noch aus?

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