Trotz aller Zuversicht der deutschen
Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt doch der Eindruck, dass der
Entwurf des neuen Eurovertrags noch auf sehr wackligen Beinen steht.
Es scheint, als stehe und falle das Projekt für die strengere
Haushaltsdisziplin der Euroländer weiter mit dem guten Willen der
Briten. Oder zumindest mit einer gutwilligen Auslegung des EU-Rechts.
Wenn ein Jurist wollte, könnte er vermutlich die Pläne des Rates
durchkreuzen. Er müsse das EU-Recht nur etwas anders auslegen, als
die Juristen des Rates es getan haben. Warum sonst musste der Rat
während der Verhandlungen dauernd von seiner Rechtsabteilung
gegenchecken lassen, ob der EU-Vertrag die ausgetüftelten
Bestimmungen für ein bissigeres Disziplinarverfahren erlauben würde.
Der EU-Vertrag lasse Spielräume für den Nebenjob der Kommission als
Superaufpasser für den Euroklub, erklärten die Ratsjuristen. Das
klingt doch sehr vage für eine solide rechtliche Grundlage. Es bleibt
zu hoffen, dass die Eurogruppe die Disziplinarregeln wirklich fest in
einem Vertrag verankern kann. Anders traut dem Schuldenklub nämlich
immer noch kein Anleger über den Weg. Ohne scharfe Gesetze werden
sich die Mitgliedstaaten kaum in ihrer Haushaltsführung zügeln. Ohne
eine Vertragsklausel, die der Kommission das Recht gibt, Euroländer
zu verklagen, wird es keinen Durchbruch zur Wirtschafts- und
Finanzunion geben, den die Kanzlerin bereits in den jetzigen
Gipfelbeschlüssen sehen möchte. Jeder Staat hat eigene Interessen,
die er vertritt. Großbritannien ist da bekanntlich keine Ausnahme.
Ohne Vorschriften macht jeder einfach weiter, wie gehabt, gelobt
Besserung und der Kommission bliebe weiterhin nur die Aufgabe, gute
Ratschläge zu verteilen und den Zeigefinger zu heben. Warum geht
eigentlich jetzt noch keiner hin und zerrt einen Haushaltssünder vor
den Europäischen Gerichtshof, wenn die 60 Prozent Schuldengrenze
überschritten ist? Ohne eine unabhängige Kontrollinstitution müssten
die Mitgliedstaaten sich gegenseitig vor dem Europäischen Gerichtshof
anschwärzen. Das ist kaum vorstellbar: Musterknabe Luxemburg verklagt
Schuldensünder Deutschland? Welche Krähe würde der anderen da ein
Auge aushacken? Allen Beteiligten ist wohl bewusst, dass sich
Finanzmärkte und auch die Europäische Zentralbank selbst auf keine
bloßen Absichtserklärungen der Mitgliedsstaaten einlassen werden. Die
Europäische Zentralbank erwartet einen überzeugenden Haushaltspakt,
bevor sie weiter eingreift, um zum Beispiel Anleihen von Italien und
Spanien aufzukaufen. EZB-Chef Mario Draghi äußerte, dass die
Beschlüsse einem guten Haushaltspakt nahe kämen. Das klingt nicht
überzeugend, vielleicht gerade mal befriedigend. Insgesamt ist es
doch immer wieder verwunderlich, wie vor und während den Gipfeln die
Kampfparolen nur so hageln und am Schluss wieder alle traute
Einigkeit vortäuschen. Nach friedlicher Atmosphäre klangen die
Stimmen aus den Verhandlungen jedenfalls kaum.
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