Der Vorsitzende der Experten-Kommission zur Zukunft
der Stasi-Unterlagenbehörde, Wolfgang Böhmer (CDU), ist offenkundig
genervt angesichts der Tatsache, dass der Bundestag deren
Empfehlungen nicht umsetzen wird. „Wir haben unseren Auftrag
erfüllt“, sagte er der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen
Zeitung“ (Freitag-Ausgabe). Wenn die Koalition sich nicht einig
werde, sei das ihr Problem. „Damit kann ich auch leben.“
Sachsen-Anhalts langjähriger CDU-Ministerpräsident fügte hinzu: „Es
gibt viele Kommissionen, die für den Papierkorb arbeiten. Kann sein,
dass es uns auch so geht.“ Der linke Bundestagsabgeordnete Stefan
Liebich, Mitglied im wissenschaftlichen Beratungsgremium der Behörde,
übte ebenfalls Kritik. Er erklärte dem Blatt aus Halle: „Wenn die
Koalition in dieser Wahlperiode tatsächlich keinen Vorschlag zur
Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde in den Bundestag einbringt,
missachtet sie die engagierte Arbeit der Experten-Kommission und
ihrer Vorsitzenden Wolfang Böhmer und Richard Schröder. Ich würde es
sehr bedauern, wenn wir hier nicht weiterkommen.“ Nach Informationen
der „Mitteldeutschen Zeitung“ hat die Union vor der Entscheidung, den
Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, in der
kommenden Woche wieder zu wählen, Druck ausgeübt. So hätten CDU und
CSU gedroht, die parlamentarische Federführung für das derzeit
debattierte Integrationsgesetz für Flüchtlinge von
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an Bundesinnenminister
Thomas de Maizière (CDU) zu übertragen. Weil der SPD die Federführung
an der Stelle so wichtig gewesen sei, habe sie sich dem gebeugt und
werde nun ebenfalls für Jahn stimmen. Vereinzelte SPD-Politiker
sprechen von „schlichter Erpressung“. Union und SPD hatten zuletzt
mitgeteilt, dass Jahn im Amt bestätigt und sich sonst bis auf
Weiteres nichts ändern werde.
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