Der Anwalt der Eltern der 2008 über Bord der „Gorch
Fock“ gegangenen Kadettin Jenny Böken, Rainer Dietz, wirft der
Staatsanwaltschaft Kiel mangelnden Einsatz bei der Aufklärung des
Falles vor. „Der Kernbereich des Geschehens wird von Zeugen absolut
widersprüchlich dargestellt. Und diese Widersprüche werden nicht
aufgeklärt“, sagte er der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen
Zeitung“ (Samstag-Ausgabe). So wollten die einen Zeugen aus größerer
Entfernung gehört haben, wie Jenny Böken über Bord ging, andere
Zeugen wollten dies aus näherer Distanz aber nicht gehört haben. Dem
müsse nachgegangen werden. Dietz erklärte außerdem, dass die
Staatsanwaltschaft Kiel die Akten nur zögernd herausgebe und betonte:
„Die Ermittlungen waren unvollständig; ihre Wiederaufnahme ist
zwingend.“ Der Anwalt muss einen Antrag auf Wiederaufnahme des
Verfahrens stellen und darin konkrete Ansatzpunkte für neue
Ermittlungen nennen. Seinen Angaben zufolge wollten die Eltern
„niemanden an den Pranger stellen“, allerdings wollten sie
Gewissheit. Dietz erläuterte, hätten sich Zeugen des Delikts der
unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht, dann ende die
Verjährungsfrist im September nach Ablauf von drei Jahren. Der Sturz
Jenny Bökens ereignete sich in der Nacht vom 3. auf den 4. September
2008. Zuvor hatten bereits Angehörige der am 7. November 2010 aus der
Takelage des Schiffes gefallenen 25-jährigen Kadettin Sarah Lena
Seele der Staatsanwaltschaft Kiel Verschleppung der Ermittlungen
vorgeworfen. Die Dauer des Verfahrens sei ihm „völlig rätselhaft“,
sagte ihr Anwalt Thomas Koch dem „Spiegel“. Nach Informationen der
„Mitteldeutschen Zeitung“ sollten die Ermittlungen zunächst im März
eingestellt werden. Zuletzt hieß es, das Ergebnis der Ermittlungen
werde Mitte oder Ende Mai bekannt gegeben. Am Freitag war von Juni
die Rede.
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