Mit 47 Prozent fast die Hälfte aller rassistisch
motivierten Gewalttaten wurde im vorigen Jahr in Ostdeutschland
inklusive Berlin verübt, obwohl die Ostdeutschen nur knapp 17 Prozent
der Gesamtbevölkerung stellen. Das berichtet die in Halle
erscheinende „Mitteldeutsche Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) unter
Berufung auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine
Anfrage der Obfrau der Grünen-Fraktion im Bundestags-Innenausschuss,
Irene Mihalic. Demnach entfielen 2014 genau 61 der bundesweit 130
rassistischen Gewalttaten auf die neuen Länder. Das entspricht einem
Anstieg von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der
rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten – also solcher, die sich
nicht nur gegen Migranten richtete – lag mit 1029 wesentlich höher.
Dabei rangiert Nordrhein-Westfalen mit 370 auf Platz eins, gefolgt
von Berlin mit 111, Sachsen mit 86, Brandenburg mit 73, Bayern mit
68, Thüringen mit 57, Niedersachsen mit 54 und Sachsen-Anhalt mit 47
– wobei Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen jeweils sehr
viel mehr Einwohner zählen als die Ost-Länder. Gesamtdeutsch wurde
2014 mit einer Quote von 45 Prozent nicht einmal jede zweite Straftat
im Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität aufgeklärt;
bei den Gewalttaten lag die Aufklärungsquote mit 64 Prozent deutlich
höher – allerdings wiederum 14 Prozentpunkte niedriger als im Jahr
zuvor. Mihalic nahm gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ vor allem
Anstoß an der Tatsache, dass zivile Beratungsstellen im Bereich
rechtsmotivierter Gewalt zu ganz anderen Ergebnissen kommen als die
Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt. So registrierten die
zivilen Stellen im Jahr 2014 für Ostdeutschland 781 entsprechende
Taten, während die Bundesregierung in ihrer Antwort auf lediglich 410
kommt. „Es gibt Grund zu der Annahme, dass die bisher vorgelegten
Fallzahlen nur einen Bruchteil der rechts motivierten Kriminalität in
Deutschland widerspiegeln“, sagte die grüne Abgeordnete dem Blatt.
„Daher müssen wir davon ausgehen, dass das polizeiliche System zur
Analyse rechtsextremer Gewalttaten immer noch nicht richtig
arbeitet.“ Die vom ersten NSU-Untersuchungsausschuss in seinem
Abschlussbericht 2013 festgestellten Fehler seien bis heute nicht
behoben, sodass es immer noch keine plausible Datenlage zu rechten
Gewaltstraftaten gebe. „Das ist eine ernste Gefahr für die innere
Sicherheit“, mahnte Mihalic. „Denn gute Polizeiarbeit ist in diesem
Bereich nur aufgrund zuverlässiger Bewertungen möglich. Es ist an der
Zeit hier endlich genauer hinzusehen und politisch motivierte
Straftaten zuverlässiger zu bewerten.“ Das Innenministerium erklärt
in der Antwort auf die Anfrage, die Daten würden von den Ländern
erhoben und an das Bundeskriminalamt übermittelt. Im Übrigen reiche
für zivilgesellschaftliche Stellen bei der Zählung von Straftaten als
Anhaltspunkt oftmals aus, dass die Täter aus einem rechten Milieu
kämen. Dies verkenne unter anderem, dass Rechtsextremisten meistens
auch im Alltag kriminell seien. Man könne also nicht jede dieser
Straftaten automatisch ihrer rechtsextremistischen Gesinnung
zuschreiben. Auch fließe in die Zahlen der Opferberatungsstellen die
subjektive Einschätzung der Opfer mit ein. Die Bundesregierung, so
heißt es weiter, begrüße jedoch die schon bestehenden Initiativen der
Länder zum Austausch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und
wissenschaftlichen Einrichtungen bezüglich der Erfassung politisch
motivierter Kriminalität.
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