Zwar räumt Gysi ein, in der DDR habe es „Unrecht,
auch grobes Unrecht“ gegeben, aber „der Begriff Unrechtsstaat ist mir
zu pauschal“. Richtig ist: Unrecht, auch grobes Unrecht, gab und gibt
es – wie in jedem Staat – in der Bundesrepublik, aber in der DDR war
das Unrecht kein Fehler im System, vielmehr war das Unrecht System.
In der Entsorgung der Geschichte, vor allem ihrer eigenen, lässt sich
die Linke von niemandem übertreffen. Das ist ebenso primitiv wie
durchschaubar. Aber inakzeptabel ist Gysis Versuch, bei der
Gelegenheit auch gleich die „Erinnerung“ von 16 Millionen ehemaligen
DDR-Bürgern in die Tonne zu treten. Mag sein, dass das Unglück
vieler, in den zwei deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts gelebt
zu haben, bei manchem das Bewusstsein davon ausgelöscht hat,
überhaupt in einer Diktatur gelebt zu haben. Aber die Erfahrung der
fehlenden Meinungsfreiheit hat auch der gemacht, der nicht unter ihr
litt, die manipulierte Wahl hat auch der kennengelernt, der sich
nicht daran störte.
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