Mittelstand im Zenit?

Studie von BVR und DZ BANK
zeigt Allzeithoch bei Lagebewertung – Investitionsneigung sinkt –
weiter steigende Eigenkapitalausstattung und geringer
Finanzierungsbedarf – fast ein Drittel der Unternehmen hofft bereits
auf steigende Zinsen.

Im deutschen Mittelstand ist die Stimmung so gut wie nie zuvor.
Nach der Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“, die Resultate der
Bilanzanalyse des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und
Raiffeisenbanken (BVR) und der Mittelstandsumfrage der DZ BANK
enthält, bewerten 92 Prozent der mittelständischen Unternehmen ihre
aktuelle Lage mit „gut“ oder „sehr gut“. Das ist der höchste Wert
seit dem Start der Umfrage im Jahr 1995. Auch der „VR
Mittelstandsindikator“, der Daten zur Geschäftslage, den Erwartungen,
dem Personalstand und den Preisen aggregiert, erreicht derzeit mit
41,4 Punkten sein bestes Ergebnis seit dem Frühjahr 2011. Sorgen
machen den Mittelständlern derzeit allenfalls der Fachkräftemangel
und die Bürokratie.

Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK, erklärt: „Während
sich das ifo Geschäftsklima seit Ende des vergangenen Jahres mehrmals
in Folge verschlechterte, weist der VR Mittelstandsindikator weiter
nach oben. Weil im deutschen Heimatmarkt die Binnennachfrage immer
noch robust ist, scheint der Mittelstand auf die ersten Anzeichen
einer leichten globalen Konjunkturabkühlung nicht unmittelbar negativ
zu reagieren.“

Allerdings zeigt die Studie auch eine deutliche Spreizung zwischen
großen und kleinen Unternehmen sowie zwischen verschiedenen Branchen.
Mittelständler mit bis zu 20 Beschäftigten machen sich weit
überdurchschnittlich Sorgen über ihre Konkurrenzsituation, die
Kosten- und Steuerbelastung sowie die Bürokratie, was ihre Bewertung
der Lage insgesamt merklich belastet. Bei den Branchen ist der
negative Ausreißer die Agrarwirtschaft: 27,5 Prozent der befragten
Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage als „eher
schlecht“ und „schlecht“.

Die insgesamt positive Stimmung setzt sich fort, wenn es um die
Erwartungen für die nächsten sechs Monate geht. Der Mittelwert
übertrifft deutlich seinen langjährigen Durchschnitt. Mit der
Unternehmensgröße steigt der Optimismus und differenziert stark nach
Branchen. Am wenigsten zuversichtlich zeigten sich wieder die
mittelständischen Unternehmen der Agrarwirtschaft, deren Erwartungen
sich im Vergleich zur Herbstumfrage zudem eingetrübt haben. Sonst
haben sich die Erwartungen nur noch im Ernährungsgewerbe und im
Metall-, Automobil- und Maschinenbau verschlechtert. Allerdings fiel
der Rückgang hier jeweils nur gering aus.

Mittelstand bleibt Jobmotor, investiert aber weniger

Entsprechend der guten Stimmung planen 30,3 Prozent der
mittelständischen Unternehmen, in den nächsten sechs Monaten ihren
Personalbestand auszubauen. Vor sechs Monaten waren es „nur“ 27,8
Prozent und der Durchschnittswert der vergangenen 22 Jahre beträgt
sogar lediglich 21,7 Prozent. Verringert hat sich zudem die Zahl
derer, die einen Personalabbau planen. Nach 7,0 Prozent im Herbst des
vergangenen Jahres waren es aktuell nur noch 4,1 Prozent – ein
Rekordtief. Der langjährige Durchschnitt liegt bei 15 Prozent. Diese
Umfrageergebnisse werden auch durch die Entwicklung des letzten
halben Jahres bestätigt: In den vergangenen sechs Monaten haben fast
36 Prozent der Mittelständler in Deutschland Personal eingestellt,
und nur weniger als 10 Prozent verringerten ihren Personalbestand.

Wenn es um Investitionen geht, sind die mittelständischen
Unternehmen trotz der guten Lage und ihres Optimismus im Vergleich
zum Vorjahr zurückhaltender geworden. Wollten im Herbst 2017 noch
81,8 Prozent aller Mittelständler in den nächsten sechs Monaten in
ihr Unternehmen investieren, so sind es jetzt „nur“ noch 78,3
Prozent. Noch deutlicher zeigt sich diese Diskrepanz, wenn man nach
Branchen und Größenklassen differenziert: Im Dienstleistungssektor
ist die Investitionsbereitschaft von annähernd 85 Prozent vor einem
Jahr auf 72 Prozent gesunken. Und nur 68,4 Prozent der kleinen
mittelständischen Unternehmen (Jahresumsatz unter 5 Mio. Euro) planen
im Verlauf der kommenden sechs Monate zu investieren.

„Es ist bemerkenswert, dass Teile des Mittelstands bei ihren
Zukunftsinvestitionen trotz exzellenter Lage nachlassen“, sagt
Berghaus. „Offenbar erlaubt es die starke Nachfrage den Firmen in
einigen Branchen, ihren Erfolg vor allem durch Preiserhöhungen und
höhere Margen zu festigen – zumindest vorübergehend.“ Tatsächlich
zeigt die Umfrage, dass die Mehrheit der mittelständischen
Unternehmen in den nächsten sechs Monaten Preiserhöhungen plant. Der
gestiegene Ölpreis sowie höhere Einkaufspreise sollen an die Kunden
weitergereicht werden. Dementsprechend rechnen 27,1 Prozent der
befragten Mittelständler mit steigenden Absatz- und Verkaufspreisen;
lediglich 4,9 Prozent mit Preissenkungen. Auch die tatsächlich
durchgeführten Preisanpassungen im vergangenen halben Jahr fielen
deutlicher aus als die Planungen. So erhöhten 37,6 Prozent der
mittelständischen Unternehmen in Deutschland in den letzten sechs
Monaten ihre Preise.

Der Firmenkundenvorstand der DZ BANK rät den Mittelständlern, bei
strategisch wichtigen Themen weiter vorausschauend zu agieren: „Nur
mit kontinuierlichen Investitionen in die Digitalisierung und
Internationalisierung bleibt der deutsche Mittelstand auf Dauer
zukunftsfähig.“

Finanzierungsbedarf gering, Wunsch nach höheren Zinsen kommt auf

Das starke Selbstbewusstsein der Unternehmen basiert auch auf
einer immer besseren Ausstattung mit Eigenkapital: Die
durchschnittliche Eigenkapitalquote (Median) erhöhte sich von 26,1
Prozent in 2015 auf 27,7 Prozent in 2016. Der Indexwert der
Eigenkapitalquote legte 2016 um 11,4 Punkte auf 198 Punkte zu. Dies
verdeutlicht, dass sich die Quote gegenüber dem Durchschnittswert der
Jahre 2001 bis 2010 (14,0 Prozent) nahezu verdoppelt hat. „Die
betriebswirtschaftliche Lage des deutschen Mittelstands mit seiner
hohen Eigenkapitalausstattung ist insgesamt weiterhin sehr solide.
Zudem ist der Anteil der dauerhaft ertragsschwachen Unternehmen eher
niedrig“, erklärt Andreas Martin, Vorstandsmitglied des
Bundesverbands der Deutschen Volksbanken Raiffeisenbanken (BVR).

Dementsprechend ist auch der Finanzierungsbedarf geringer als in
früheren konjunkturellen Aufschwungphasen. Gleichzeitig ist zu
beobachten, dass die firmeneigene Expertise in Finanzfragen zunimmt.
Größeren Unternehmen stehen oft eigene Mitarbeiter zur Verfügung, die
früher einmal im Finanzwesen gearbeitet haben. Zudem planen die
Mittelständler, vermehrt solche Mitarbeiter einzustellen. Heute
vertrauen bereits 29 Prozent der Firmen diesen Finanzexperten,
während künftig 38 Prozent der Unternehmen bei Finanzentscheidungen
auf diese Mitarbeiter setzen wollen. Ungeachtet dessen wird die
Beziehung der Hausbank von vielen Mittelständlern weiterhin hoch
geschätzt: Rund 98 Prozent bezeichnen das Verhältnis zur Bank als
„gut“ oder „sehr gut“. Dementsprechend klagt nur einer von zehn
Mittelständlern über schwierige Finanzierungsbedingungen, was sowohl
auf die gute Eigenmittelausstattung wie auch auf die Zusammenarbeit
mit der Hausbank zurückzuführen sein dürfte.

Die gute finanzielle Situation der mittelständischen Unternehmen
mag auch das auf den ersten Blick überraschende Ergebnis der Umfrage
erklären, dass fast ein Drittel (29,1 Prozent) der Mittelständler
steigende Zinsen erhofft. BVR-Vorstand Andreas Martin: „Ein großer
Anteil der Mittelständler finanziert sich mittlerweile aus dem
eigenen Cashflow und profitiert nur wenig oder sogar gar nicht von
den günstigen verfügbaren Krediten. Umgekehrt leiden auf der anderen
Seite der Bilanz viele Unternehmen darunter, dass ihre Zinseinnahmen
aus Anlagen stark zurückgegangen sind.“ So geben fast die Hälfte der
befragten Mittelständler an, dass ihre Zinseinnahmen aus Anlagen
sinken. Dieser Anteil hat sich gegenüber Herbst 2016 und gegenüber
Herbst 2015 jeweils merklich erhöht. „Viele Mittelständler sind in
der Tendenz von Kreditnehmern zu Anlegern geworden. Für sie erweist
sich die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank als ein
zweischneidiges Schwert“, sagt Martin.

Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom
05. März bis 06. April 2018 im Rahmen einer telefonischen Umfrage
erhoben. Die Stichprobe von 1.500 Unternehmen ist repräsentativ;
befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer
Unternehmen in Deutschland.

Pressekontakt:
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR)
Pressesprecherin Melanie Schmergal, Telefon: (030) 20 21-13 00,
presse@bvr.de, www.bvr.de

DZ BANK AG
Pressesprecher Sebastian Müller, Tel. (069) 74 47-92 748
sebastian.mueller@dzbank.de, www.dzbank.de

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