Jährlich verlassen rund 2.000 junge Menschen allein die Universität Göttingen ohne Abschluss – gleichzeitig fehlt in vielen Handwerksbetrieben zunehmend Nachwuchs, auch in den Chefetagen. Weil immer mehr Schüler das Abitur und dann ein Studium anstreben, erfährt das Handwerk mit klassischen Ausbildungsberufen am frühesten den Fachkräftemangel. Bisherige Ansätze, dem Nachwuchsmangel im Handwerk zu begegnen, konnten das Problem nicht lösen.
Junge Menschen suchen eine Perspektive – bestehende Unternehmen suchen neue Talente.
Genau dort setzt die Kampagne an. Ein komplexes Vorhaben: „Wir wollen die jungen Leute bereits vor dem konkreten Studienabbruch erreichen und gezielt für Perspektiven im Handwerk begeistern, noch bevor sie aus der Region abwandern“, sagt Sven Grünewald, Wirtschaftsjournalist in Göttingen. „Damit einher geht auch ein tiefgreifender Wandel innerhalb der Unternehmen, um den heutigen Arbeitnehmeransprüchen Rechnung zu tragen“, macht PR- und Marketingspezialistin Miriam Engel deutlich. Als Stichworte seien hier Arbeit als Selbstverwirklichung, Work-Life-Balance und eine ausgeprägte Wechselbereitschaft genannt. Volle Auftragsbücher verhindern bislang, dass sich Handwerksbetriebe intensiv und nachhaltig um das Thema Fachkräfte kümmern können. Die Kampagne soll Betriebe aktivieren und ihnen helfen, trotz eines arbeitsreichen Alltags die Probleme der Zukunft anzugehen.
Chance auf nachhaltiges Wachstum ohne Personal-Kannibalismus
Für die Betriebe bieten diese jungen Leute die Chance auf nachhaltiges Wachstum, ohne Kandidaten von anderen Firmen abwerben zu müssen. Generell sollte der Trend weg von der Kannibalisierung hin zu mehr Kooperation gehen: Da sich Mitarbeiter zunehmend in verschiedenen Bereichen und Unternehmen weiterentwickeln möchten, wollen Engel und Grünewald Unternehmen verschiedener Gewerke dazu motivieren, zum Beispiel durch einen gemeinsamen Mitarbeiter-Pool dichter zusammenzurücken, um Talente im Unternehmensnetzwerk zu binden.
Mögliche Umsetzungen und Modellkonzeptionen können nur mit den Betrieben und den Kammern und Verbänden entwickelt werden. Dazu laufen bereits Gespräche mit der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen sowie der Kreishandwerkerschaft Göttingen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl möglicher Partner, um eine solche Kampagne zu unterstützen, beispielsweise in der Politik in Stadt und Landkreis, dem Jobcenter/der Agentur für Arbeit, an Hochschulen und Berufsschulen. Sie alle haben ein erklärtes Interesse daran, junge Menschen in der Region zu halten.
Grünewald und Engel sind überzeugt: „Unsere Kampagne kann einen wesentlichen Beitrag für die Zukunft vieler Handwerksberufe leisten. Aktuell in Südniedersachsen, mittelfristig aber auch niedersachsen- und deutschlandweit. Die Göttinger Kampagne hat da sPotenzial, zu einem Pilotprojekt zu werden!“
Mit der Kampagne haben sich Sven Grünewald und Miriam Engel für den Innovationspreis Göttingen 2018 sowie für den Innovationspreis Niedersachsen 2018 beworben.