Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom
10. April die Grundsteuer in ihrer heutigen Form erwartungsgemäß für
verfassungswidrig erklärt. Die stark veraltete Einheitsbewertung
verstößt gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz.
Dem Gesetzgeber räumt das Gericht eine Frist bis zum 31. Dezember
2019 ein, um eine verfassungsgemäße Neuregelung zu erlassen.
Jetzt muss eine schnelle, unkomplizierte Lösung her, so die
Einschätzung der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, denn ohne eine
verfassungsgemäße Grundsteuer kommen auf die Kommunen nach Ablauf der
Frist Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe zu. Das
Bundesverfassungsgericht stellte hierzu fest, dass der Gesetzgeber
über einen weiten Spielraum zur Bestimmung des Steuergegenstandes
verfügt. Dieser Urteilsspruch erlaubt die Umsetzung einer einfachen
und innerhalb der gesetzten Frist durchführbaren Variante, nämlich
der Besteuerung des Bodenwertes.
Dieser von Zivilgesellschaft und Fachwelt angeregte
Reformvorschlag wurde von Bund und Ländern bei ihren bisherigen
Reformüberlegungen beharrlich ignoriert. Dabei könnte er problemlos
innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist
verwirklicht werden. Hierbei würde die unverhältnismäßig aufwendige
und zeitraubende Gebäudebewertung obsolet. Die Bemessungsgrundlage
wären einzig die Bodenrichtwerte, die größtenteils bereits
flächendeckend vorliegen. Einigte man sich endlich auf dieses Modell,
wäre die neue Grundsteuer ein echter Beitrag zum Bürokratieabbau.
Derzeit führen Investitionen in Grundstücke und Gebäude automatisch
zu einer höheren Besteuerung. Die Grundsteuer in Form der
Gebäudesteuer bestraft also Investitionen, belohnt Spekulation und
führt somit durch Angebotsverknappung und Investitionszurückhaltung
zu ansteigenden Bodenpreisen und Wohnungsmieten. Bei einer
Bodensteuer, die nicht das Gebäude berücksichtigt, würden hingegen
Baulücken oder Brachflächen deutlich höher besteuert werden als
zuvor.
„Eine Bodensteuer hätte starke positive Effekte auf den Boden- und
Wohnungsmarkt. Sie verhält sich gänzlich neutral gegenüber
Investitionen, würde Spekulationen verteuern und schafft somit einen
Anreiz zu bauen. Damit würde eine Bodensteuer die Planungsziele der
Städte und Gemeinden stärken, anstatt sie zu konterkarieren“, so Dr.
Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
„Die Bodensteuer hat zwei wichtige Auswirkungen.
Mehrfamilienhäuser werden entlastet und unbebaute bzw. ungenutzte
Grundstücke werden deutlich höher belastet. Das ist ein Beitrag zur
Mobilisierung dieser Flächen für den Wohnungsneubau“, so Lukas
Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbunds.
„Neue Berechnungen zeigen, dass selbst in hochpreisigen
Verdichtungsräumen wie Berlin die Bodensteuer nicht für
Gentrifizierungsprozesse verantwortlich gemacht werden kann, wie
Kritiker behaupten“, so Dr. Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und
Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier. „Mehrbelastungen können
v.a. in den größten Städten auch bei Mehrfamilienhäusern in einigen
sehr teuren Lagen entstehen. Soweit politisch gewünscht, ließen sich
diese aber auf verschiedenen Stufen der Steuerberechnung mildern oder
beseitigen.“
Die angesichts der hohen Wohnungsnachfrage so wichtigen Potenziale
in den Innenstädten würden mit einer Bodensteuer aktiviert bzw.
besser genutzt. „Indem innerörtliche Brachen und Baulücken besser
genutzt werden, ist weniger Neubau auf der grünen Wiese erforderlich.
Durch eine Bodensteuer würden zudem alle Eigentümer einen gerechten
Anteil der Bodenwertschöpfung zurück an die öffentliche Hand geben“,
so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Mehr und mehr Stimmen sprechen sich für die Reform zu einer
Bodensteuer aus, darunter das Deutsche Institut für Urbanistik und
der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung (Roadmap
Bodenpolitik), das Institut der deutschen Wirtschaft Köln
(IW-Kurzbericht 58.2016) sowie das Institut für Makroökonomie und
Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK-Report 129/2017).
Auch eine in der vergangenen Legislaturperiode gemeinsam vom
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
und Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung vorgelegte
Studie zur Entwicklung der Wohnbautätigkeit empfiehlt eine
Bodensteuer.
Der Bundesrat hat zwar 2016 eine Gesetzesinitiative auf den Weg
gebracht. Das damals vorgeschlagene Kostenwertmodell war jedoch für
eine zügige und sichere Reform denkbar ungeeignet, sah es doch eine
aufwendige Neubewertung sämtlicher Grundstücke und Gebäude in
Deutschland vor. Nach eigenen Aussagen der Finanzministerkonferenz
wären dafür bis zu zehn Jahre benötigt worden. Zudem wäre das
Kostenwertmodell laut einem Gutachten des Instituts für Steuerrecht
an der Universität Köln ebenfalls nicht verfassungskonform.
Die Richter in Karlsruhe befassten sich mit Verfassungsbeschwerden
gegen die Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide (1 BvR 639/11, 1
BvR 889/12). Die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer fußt bislang
auf völlig überalterten Einheitswerten aus dem Jahr 1964 für die
alten Bundesländer bzw. 1935 für die neuen Bundesländer. Die Erträge
aus der Grundsteuer verbleiben zu 100 Prozent bei den Städten und
Gemeinden und machen rund 15 Prozent der kommunalen Einnahmen aus.
Die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ ist ein 2012 gegründeter
bundesweiter, überparteilicher Aufruf zur Reform der Grundsteuer in
eine Bodenwertsteuer. Zu den Unterstützern zählen bislang über 50
Bürgermeister, zahlreiche Verbände und Organisationen, darunter der
NABU, das Institut der deutschen Wirtschaft und der Deutsche
Mieterbund sowie über 900 Privatpersonen.
Mehr Infos: www.grundsteuerreform.net
Pressekontakt:
Dr. Ulrich Kriese, NABU-Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik und
Sprecher für die bundesweite Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“,
Mobil +49 (0)176- 875 99 511, E-Mail: Ulrich.Kriese@NABU.de
Henry Wilke, NABU-Referent für Siedlungsentwicklung und Koordinator
der bundesweiten Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, +49 (0)172-678
57 32 , Henry.Wilke@NABU.de
Prof. Dr. Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und Ökologische
Ökonomik, Erstunterzeichner der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“,
Mobil +49 (0)172- 623 99 42, E-Mail: d.loehr@umwelt-campus.de
Dr. Ralph Henger, Mobil +49 (0)221-4981 744, E-Mail:
henger@iwkoeln.de
Ulrich Ropertz, +49 (0)30-223 23 0, E-Mail:
ulrich.ropertz@mieterbund.de
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