Krieg als Staatsgeheimnis
In Washington und Berlin schrillen die Alarmsirenen, weil
Zehntausende brisante Dokumente zum Afghanistan-Krieg nun öffentlich
sind. Die Sorge der Regierungen um enttarnte Angriffsmuster und
Listen der meistgesuchten Terroristen ist aber nur vorgeschoben.
Taliban und Aufständische wissen seit dem Herbst 2001, wie die ISAF
operiert und welche ihrer Anführer tot oder lebendig aus dem Verkehr
gezogen werden sollen. Entscheidend ist, dass die Fülle all der
Einsätze mit getöteten Zivilisten, Soldaten und vermeintlichen
Rebellen den Hass der Fanatiker auf die NATO-Truppen und -Länder neu
befeuern wird.
Sehr schwer wiegt auch, dass das Vertrauen in die Krieg führenden
Nationen abermals erschüttert ist. Das gesammelte Logbuch eines
düsteren Konflikts verdrängt im öffentlichen Bewusstsein zweierlei:
die Zusammenarbeit von Polizei und Militär und die Doktrin,
Zivilisten in jedem Fall zu schützen. Dabei wecken beide Ansätze
Hoffnung auf ein stabileres Afghanistan.
Der Krieg am Hindukusch muss immer wieder erklärt, in Parlamenten
legitimiert werden. Daher gehört die Wahrheit ans Licht: Krieg darf
nicht im Dunkeln stattfinden, als schmutziges Staatsgeheimnis gehütet
werden. Die Enthüllung von Wikileaks bietet die vielleicht letzte
Chance, sich von unheilvollen Praktiken abzuwenden. Den Soldaten wäre
damit weitaus mehr geholfen, als die Lage zu beschönigen und
gescheiterte Kommandos zu vertuschen.
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