Neue OZ: Kommentar zu Ausländer / Integration / Sarrazin

Debatte auf Nebenschauplätzen

Die Debatte um Thilo Sarrazin muss den Beobachter verzweifeln
lassen. Wo der Bürger nach Klarheit verlangt, wo er eine Diskussion
über die präsentierten Fakten zur Integrations- und Sozialpolitik
erwartet, dreht sich der Streit längst nur noch um Sarrazin selbst.

Und je heftiger die persönlichen Attacken auf ihn werden, desto
trotziger hält der Bundesbanker dagegen. In dem Bestreben, es allen
so richtig zu zeigen, hat sich der selbsternannte Retter der Nation
in derart absurde Vererbungstheorien verrannt, dass die Debatte um
Integration unrettbar verloren ist. Es ist höchst bedauerlich, dass
Sarrazin es den Kritikern mit seinen unsäglichen Genetik-Thesen allzu
leicht macht, auf diesen Nebenschauplatz auszuweichen. Versäumnisse
und Fehler der Zuwanderungspolitik, die sein Buch im Kern zutreffend
benennt, geraten so in den Hintergrund.

Sollten SPD und Bundesbank Sarrazin nun den Stuhl vor die Tür
setzen, ist das nach der jüngsten Eskalation mehr als
nachvollziehbar. Es löst aber keines der Integrationsprobleme. Die
Politik darf nicht den Fehler machen, nach dem Sturm um Sarrazin
einfach zur Tagesordnung überzugehen. Denn sonst entstünde der
falsche Eindruck, ein Mahner sei mundtot gemacht worden, ohne die
Defizite ernsthaft anzugehen. Das wäre fatal, weil es den Verdruss
über die etablierten Parteien weiter anheizen könnte.

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