Diskriminierung stoppen
Bundespräsident Wulff hat angesichts der emotional überzogenen
Integrationsdebatte in Deutschland eine wohltuend sachliche und
zugleich ehrliche Rede vor der Nationalversammlung in Ankara
gehalten. Er benannte klar die Missstände, die es bei einigen Gruppen
von zugewanderten Türken in Deutschland gibt. Zugleich verwies er auf
Erfolge und wendete sich gegen Pauschalurteile. Diese bilden nicht
die Wirklichkeit ab, sondern die beschränkte Sicht von
Schwarz-Weiß-Malern. Das betrifft nicht nur Rechtspopulisten à la
Wilders, sondern auch linke Multikulti-Befürworter, die das Erlernen
von Deutsch als Zwangsgermanisierung verunglimpfen.
Es ist an der Zeit, dass Deutsche, deren Großeltern aus Anatolien
nach Berlin, München oder Duisburg ausgewandert sind, endlich auch
als solche gelten – und nicht als „Mitbürger mit
Migrationshintergrund“. Diesen Wandel muss auch die Türkei
akzeptieren. Dort gibt es immer noch politische Kräfte, die Neukölln
für eine Diaspora Ankaras halten. Einen Punkt hätte Wulff stärker
anprangern können: die prekäre Lage der Christen am Bosporus und in
Anatolien. Nach wie vor besteht dort die Religionsfreiheit nur auf
dem Papier, aber nicht in der Realität. Zu Beginn des 20.
Jahrhunderts machte das Christentum in der Region rund 20 Prozent der
Bevölkerung aus. Heute ist das Land zu 99 Prozent islamisch. Ankara
muss die Diskriminierung christlicher Minderheiten stoppen, wenn sich
die Türkei Europa nähern will.
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