Neue OZ: Kommentar zu Bundesregierung / Merkel

Verdrängungskünstlerin

Ein cooler Auftritt – das muss man Angela Merkel lassen. Doch ihre
optimistische Halbjahresbilanz gestern in Berlin steht in krassem
Gegensatz zur Realität. Rot-Grün hat Schwarz-Gelb in Umfragen
überflügelt. Dazu kommen die Finanzprobleme im Gesundheitswesen und
die unsichere Zukunft der Bundeswehr sowie der Streit um
Energiesteuer und Atomkraftnutzung.

Serienweise wurden hochbrisante Koalitionsprobleme auf den Herbst
vertagt. Wenn die Kanzlerin im Urlaub wirklich entspannen will, muss
sie verdrängen können. Darin hat sie inzwischen beträchtliche
Kunstfertigkeit entwickelt. Merkel redet ihre Erfolge im Ausland
schön und das Versagen der Regierungskoalitionäre klein, die jeden
Kompromiss zerschreddern. Dafür malt sie die kommenden Monate in den
dunkelsten Farben. Das bedrohliche Szenario von Verteilungskämpfen
angesichts einbrechender Steuermaßnahmen soll endlich Union und FDP
disziplinieren. Ganz nebenbei hofft Merkel, ihren lädierten Ruf als
„Eiserne Kanzlerin“ wiederherzustellen.

Gut möglich, dass dieses Kalkül aufgeht. Sie kann auf
Unterstützung von außen zählen. Die Wirtschaft meldet Wachstum, und
es sieht danach aus, als könne schon bald die Zahl der Arbeitslosen
unter die Drei-Millionen-Marke rutschen. Ein „kleines Wunder“, das
Merkel aus großen Nöten befreien könnte.

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: 0541/310 207