Draghis Geheimnis
Gerät nun ein Eckpfeiler der Euro-Rettungspolitik ins Wanken? Das
Bundesverfassungsgericht rückt noch einmal das umstrittene Programm
der Europäischen Zentralbank zum unbegrenzten Ankauf von
Staatsanleihen in den Fokus. Es entscheidet aber nicht selbst,
sondern überlässt dies dem Europäischen Gerichtshof, der mit Blick
auf die Kompetenzen europäischer Institutionen deutlich großzügiger
ist als Karlsruhe.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich grundlegend etwas ändert, ist
damit eher gering. Dafür spricht auch, dass die Karlsruher Richter
selbst bereits aufzeigen, wie ihre Bedenken gegen die grenzenlose
Staatsfinanzierung durch die EZB ausgeräumt werden könnten.
Zentralbankchef Mario Draghi behält also wohl auch künftig die
Möglichkeit, überschuldete Staaten auf Kosten der Allgemeinheit durch
Anleihenkäufe zu subventionieren. Die EU würde damit zur
Schuldengemeinschaft – mit der Gefahr nachlassender
Haushaltsdisziplin in den Krisenstaaten.
Das Interessanteste an Draghis Programm bleibt, dass schon dessen
Ankündigung die Finanzmärkte beruhigt hat. Dies freilich ist auch
kein Wunder, verspricht der Zentralbankchef den Schuldenmachern der
EU doch so etwas wie eine Vollkaskoversicherung. Und das heißt: Im
Ernstfall werden die Notenpressen heiß laufen. Wie dann noch
Geldwertstabilität gesichert werden soll, ist Draghis Geheimnis.
Uwe Westdörp
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