Das Ende der Bescheidenheit
Welch ein Kontrastprogramm: vom amtierenden US-Präsidenten Barack
Obama – privilegiert, mächtig und als Friedensnobelpreisträger bis
heute umstritten – zu Liu Xiaobo, dem verfolgten und eingesperrten
chinesischen Kämpfer für die Menschenrechte. Anders als 2009 wird es
keine Diskussion geben – dieser Preisträger hat die Ehre verdient.
So kann sich alle Aufmerksamkeit auf die Reaktionen richten. Im
Westen wird gejubelt, in chinesischen Medien wird der Nobelpreis
totgeschwiegen. Die Frau des Geehrten sitzt wenige Meter von der
wartenden Weltpresse entfernt, eingesperrt in ihrer Wohnung. China
droht Norwegen mit Konsequenzen, es hatte davor gewarnt, den Preis
diesem „Kriminellen“ zu geben. Jetzt beeilt sich der norwegische
Außenminister zu betonen, dass das Nobelkomitee unabhängig von der
Regierung in Oslo entschieden hat – er möchte die guten
Handelsbeziehungen nicht gefährden.
Das alles unterstreicht die enorme Bedeutung des Nobelpreises. Und
erzählt gleichzeitig von einem ungelösten Problem der westlichen
Welt: Sie will wirtschaftlich von China profitieren. Deshalb kommt
ihre Kritik am dortigen Umgang mit den Menschenrechten meist so
bescheiden daher, dass die Kritisierten sie ohne Gesichtsverlust
weglächeln können. Der Nobelpreis ist das Gegenteil von bescheiden.
Er setzt die Offiziellen in China unter Druck, ermutigt
Menschenrechtsaktivisten weltweit – und ermahnt den Westen, mitten im
China-Boom die Verfolgten nicht zu vergessen.
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