Neue OZ: Kommentar zu Libyen / Britannien / Lockerbie

Dreckiges Geschäft

Luxusvilla, Limousinen und Ruhm in Libyen statt Haftzelle und
Knast-Essen in Schottland: Der Lockerbie-Attentäter al Megrahi hat in
den vergangenen zwölf Monaten einen ungewöhnlichen Lebenswandel
vollzogen. Wäre es nach den britischen Gutachtern gegangen, müsste
der an Prostatakrebs erkrankte Terrorist eigentlich seit neun Monaten
tot sein. Jedenfalls führte diese Prognose zur Begnadigung und
Freilassung des Libyers, der laut Gerichtsurteil 270 Menschenleben
auf dem Gewissen hat. 270 Männer, Frauen und Kinder, die im
Unterschied zu al Megrahi zu keiner Sekunde Gnade erfuhren, sondern
1988 kaltblütig ermordet wurden.

Daher ist die Wut der Hinterbliebenen ebenso nachvollziehbar wie
die Kritik der USA an der britischen Regierung. Denn London hat
bislang nichts zur Aufklärung des Vorwurfs beigetragen, die
Freilassung al Megrahis stehe im Kontext eines lukrativen
Öl-Geschäfts des BP-Konzerns mit Libyens Staatschef Gaddafi.

Höchst zweifelhaft erscheinen nun die medizinischen Gutachten über
den Gesundheitszustand des Terroristen, der in seiner Heimat wie ein
Held verehrt wird. Mit Nachdruck muss dem Verdacht nachgegangen
werden, die britische Regierung könnte ein dreckiges Geschäft „Blut
gegen Öl“ abgeschlossen haben. Zumindest steht eines fest: Dem
BP-Konzern dürfte es nicht ungelegen gekommen sein, dass die Akte
Lockerbie im Sinne Gaddafis geschlossen wurde.

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: 0541/310 207