Flickschusterei
Nanu, nachdem sie sich bislang kräftig gegen eine Ausweitung der
Mindestlöhne gestemmt hat, gibt sich die FDP plötzlich
kompromissbereit. Das kann nur einen Grund haben: Die Liberalen
fürchten, im Bundestagswahlkampf in die arbeitnehmerfeindliche Ecke
gedrängt zu werden und dadurch Stimmen zu verlieren. Und so bewegen
sie sich jetzt doch, aber nur ein kleines bisschen.
Es wäre zwar ein Fortschritt, wenn es in weiteren Branchen
Lohnuntergrenzen gäbe. Anzuerkennen ist auch, dass es bereits 13
solcher Mindestlöhne gibt. Die meisten davon wurden unter
Schwarz-Gelb eingeführt. Mehr als Flickschusterei ist all das aber
nicht. Nach wie vor können Hunderttausende von Erwerbstätigen trotz
Vollzeitarbeit nicht von ihrem Lohn leben und müssen ihn durch
Sozialleistungen aufstocken lassen.
Auch die Pläne, die die Union jetzt verfolgt und für die sie die
Unterstützung der FDP verlangt, würden daran nicht viel ändern. Denn
sie zielen auf weitere Mindestlöhne in tariffreien Branchen. Die
tariflich bezahlte Friseurin, die mit ein paar Euro abgespeist wird,
würde weiter in die Röhre schauen. Ihr und vielen anderen
Niedriglöhnern wäre am besten mit einem allgemeinen gesetzlichen
Mindestlohn geholfen. Aber immerhin: Selbst Hardliner wie Guido
Westerwelle haben jetzt erkannt, dass drei Euro Stundenlohn in aller
Regel keine leistungsgerechte Bezahlung sein können, eine reichlich
späte Einsicht.
Uwe Westdörp
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