Verquer, nicht quer
Querdenker sind gut. Sie rütteln am Konsens. Sie werfen Lichter
auf Probleme, die die Mehrheit als gegeben akzeptiert oder bis dahin
gar nicht mal gesehen hat. Thilo Sarrazin allerdings denkt längst
nicht mehr quer – sondern verquer. Der Unterschied dazwischen ist
größer, als die drei Buchstaben es vermuten lassen. Aus einem
ungewöhnlichen, aber intelligenten Einwurf wird so im besten Fall
dummes Gerede, im schlimmsten Fall noch mehr. Dann nämlich, wenn
jemand wie Sarrazin sich ein märtyrerisches Mäntelchen umhängt und
dabei von manchen noch beklatscht wird.
In diesem Fall geht es nicht nur um die Peinlichkeit, der Sarrazin
sich aussetzt. Er nimmt eine gesellschaftliche Rolle für sich in
Anspruch, die ihm in keiner Weise zusteht. Wer in Sachen Juden mit
Genetik argumentiert, bewegt sich nicht nur wissenschaftlich auf
denkbar dünnstem Eis. Er tut dies auch historisch und moralisch, und,
fast schlimmer noch, er weiß das genau.
Der Sache selbst leistet Sarrazin einen Bärendienst. Was er in
seiner Laufbahn an bedenkenswerten Dingen zum gesellschaftlichen
Zustand Deutschlands gesagt hat, schiebt er so selbst in den
Hintergrund. Er ist nicht mehr ernst zu nehmen. Womit sich die
drängenden Fragen stellen, was er im Vorstand der Bundesbank zu
suchen hat – und ob er dort auch Produktives leistet oder ständig nur
öffentlich Unsinn erzählt.
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