Krokodilstränen und ein später Triumph
Eben noch zögerlich, zeigt sich Hannelore Kraft plötzlich
experimentierfreudig: Mit wechselnden Mehrheiten will sie
Nordrhein-Westfalen nun regieren. Dazu wird sie freilich keine
Gelegenheit bekommen, wie die schroffen Reaktionen von CDU und FDP
signalisieren. Einzig die Linken sind zur Unterstützung der geplanten
rot-grünen Minderheitsregierung bereit. Wechseln wird also maximal
eines: der Grad der Zustimmung von ganz links.
Die Linkspartei, die jetzt in wichtigen Fragen mitbestimmen kann,
wird damit zum unverdienten Sieger der Landtagswahl. Es ist der späte
Triumph einer unberechenbaren 5,6-Prozent-Partei, deren
Noch-mehr-Staat-Forderungen ebenso wenig in die wirtschaftlich
schweren Zeiten gehören wie Gin-Flaschen auf den Tisch eines
Alkoholikers. Wer auf solche Partner zählen muss, ist wahrlich nicht
zu beneiden.
Allerdings besteht auch kein Anlass dazu, Krokodilstränen über das
Nichtzustandekommen einer Großen Koalition zu vergießen. Zwar wäre
dies angesichts der Mehrheitsverhältnisse eine Alternative gewesen.
Doch hat nicht nur die SPD wenig Interesse daran gezeigt, sondern
auch die CDU, die sich jetzt in Person von Armin Laschet so bitter
beklagt. Sie konnte sich nicht einmal dazu durchringen, ihren vom
Wähler massiv abgestraften Vormann Jürgen Rüttgers zur Disposition zu
stellen und so den Weg für einen Neuanfang zu ebnen. Dafür muss die
CDU sich nun womöglich auf Neuwahlen einstellen, wenn Rot-Grün die
Puste ausgeht. Angesichts des Gegenwinds aus Berlin ist dies keine
gute Aussicht für die Union.
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