Feindliches Mütterchen
Schlaglichtartig erhellt der Rebellen-Angriff auf das
Regionalparlament von Grosny den Stand der Dinge: Die
Tschetschenisierung des seit 1994 währenden Konflikts hat nach 2000
zwar die Weg-von-Russland-Welle gebrochen, aber Moskaus Probleme
nicht gelöst.
Ein Selbstmordkommando macht am helllichten Tag die dünnsten
Bruchstellen der Tschetschenien-Politik Putin–scher Prägung sichtbar.
Die baut ganz auf den zwielichtigen Statthalter und
Republikpräsidenten Ramsan Kadyrow. Der hat zwar einen teilweisen
Wiederaufbau des Landes hinbekommen, ebenso den Übertritt ganzer
Rebellen-Kompanien in seine Miliz. Aber nur durch reichlich Geld und
Waffen aus Moskau, vor allem durch extreme Gewalt. Was wiederum
erklärt, warum der bewaffnete Widerstand gegen Russland auf
russischem Boden trotzdem nicht erlischt. Und warum in der von
Kadyrow geschaffenen Friedhofsruhe so etwas wie Stabilität nie
gedeihen wird.
Was sollte ausgerechnet seine Herrschaft daran ändern, dass
Generationen von Tschetschenen heranwachsen, die ihr Mütterchen
Russland vom ersten Atemzug an fast nur als Feindmacht erleben? Die
kein Russisch sprechen, kaum Bildung bekommen – und so anfällig
bleiben für Hass und importierte, extremistische Varianten des
Islams. Varianten, die sich – Hauptergebnis der Putin–schen
Gewaltpolitik – bereits im ganzen Nordkaukasus festgefressen haben.
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