Neue OZ: Kommentar zu Soziales / Einheit / Ost / Studie

Die Aufholjagd erlahmt

Den Ostdeutschen geht es laut Studie besser. Eine große
Überraschung ist das 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht.
Schließlich hatten DDR-Infrastruktur und -Wirtschaft den Standard
eines Entwicklungslandes. Dank Solidarbeitrag und Milliarden-Hilfen
aus dem Westen erlebte Ostdeutschland in den 90er-Jahren eine
regelrechte Wohlstandsexplosion – auch wenn die Kluft zum Westen groß
blieb.

Sieht man die Ifo-Studie genauer an, kommen aber Zweifel an den
suggerierten blühenden Landschaften. Die Renten sind im Osten
schlicht deshalb höher, weil DDR-Frauen in der Regel berufstätig
waren – im Gegensatz zum Westen. Auch das immer noch niedrigere
Lohnniveau führt offensichtlich nicht zum Protest. Im Osten weiß man
einfach, dass höhere Stundenlöhne zu Firmenschließungen führen
würden. Dann besser weniger Geld als gar keinen Job.

Die Aufholjagd des Ostens ist in den vergangenen zehn Jahren
erlahmt. Seit der Wiedervereinigung verlassen jedes Jahr Tausende
junge Leute die neuen Bundesländer in Richtung Westen. Sie wollen
sich mit weniger Lohn für gleiche Arbeit nicht zufriedengeben. Sie
werden als Aufbauhelfer in Leipzig, Rostock und anderswo in den
nächsten Jahren schmerzhaft fehlen. Das könnte sogar dazu führen,
dass sich der Abstand zum Westen wieder vergrößert – unwahrscheinlich
ist das nicht.

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