Nicht reif für Demokratie
Mit Stuttgart 21 droht dem Steuerzahler ein Milliarden-Grab. Egal,
welche Variante sich am Ende durchsetzen wird. Das Großprojekt wird
angesichts der Poteste und Verzögerungen deutlich teurer als
veranschlagt. Den größten Schaden aber nimmt die Demokratie.
Zumindest außerhalb der baden-württembergischen Landeshauptstadt geht
es längst nicht mehr um die Frage, wie der neue Bahnhof aussehen
soll. Stuttgart 21 ist scheinbar zum Zeichen von Volksdemokratie
geworden. Aber eben nur scheinbar.
Die Wirklichkeit ist eine andere: Bereits vor mehr als 20 Jahren
wurde die Idee eines Durchgangsbahnhofs geboren. Danach folgten
Architektenwettbewerb, Planfeststellungsverfahren, Baugenehmigungen
und Finanzierungsentscheidungen. Innerhalb dieser beiden Jahrzehnte
haben sich Stuttgarter Gemeinderat, Landtag und Bundestag mit dem
Projekt befasst – und sich mit ihren Konzepten in Wahlen dem Volk
gestellt. Man kann heute zwar über den Sinn des neuen Bahnhofs
streiten, aber er ist demokratisch legitimiert. Wenn sich die SPD
jetzt dem Druck beugt und einen Volksentscheid fordert, obwohl sie
das Projekt seit Jahren mitträgt, stellt sie sich selbst und alle
gewählten Parlamente infrage. Aber auch für die Demonstranten gilt:
Wer demokratische Entscheidungen nur akzeptiert, wenn er am Ende auf
der Seite der Sieger steht, ist nicht reif für unsere Demokratie.
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