Bahnhof verstehen
Schlichten, wo es im üblichen Sinne nichts zu schlichten gibt:
Heiner Geißler, der erfahrene Haudegen, hat das erste Duell auf
Augenhöhe von Gegnern und Befürwortern des Bahnprojekts Stuttgart 21
als Schiedsrichter abgepfiffen. Er vermittelte atmosphärisch und ließ
argumentative Salven aufeinanderprasseln.
Im besten Fall ist Geißler der Mann, der den in einen
Glaubenskrieg ausgearteten Konflikt um einen Bahnhof in einen zivilen
Umgang überführt hat. Im schlechtesten Fall kann der frühere
CDU-General nicht verhindern, dass Regeln der parlamentarischen
Demokratie verwahrlosen, ein Rechtsstaat unterhöhlt wird und Werte
wie Planungssicherheit und Verlässlichkeit zum Teufel sind:
Volksentscheid nach 15 Jahren der Verfahren? Viel Spaß dabei!
In erster Linie zeigt die Eskalation um das gigantische Vorhaben
indes das Versagen vieler Politiker. Sie nannten die guten Gründe
nicht, warum etwa ein Kopfbahnhof um 180 Grad gedreht und mit der
Hälfte der Gleise im Erdreich als Durchgangsstation versenkt werden
soll. In zweiter Linie haben allerdings Bürger – mit ihren Rechten
und Pflichten – versagt. Mitte der 90er-Jahre berichteten nicht nur
die Stuttgarter Zeitungen von einem Thema namens Stuttgart 21. Damals
hätten die Gegner ihre stichhaltigen Argumente vor der Fassade des
Bauwerks hinausschmettern müssen.
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