Zu den gefährlichsten Zivilisationskrankheiten
gehört die Eile. Sie tötet die Lebenslust und das Nachdenken. Auch
schafft Zeitmangel Probleme ganz eigener Art. Hätte sich Kanzlerin
Angela Merkel beispielsweise im vergangenen Jahr bei der Verlängerung
der Atomlaufzeiten etwas mehr Ruhe genommen, müsste sie der eigenen
Partei jetzt nicht ihren 180-Grad-Schwenk in der Energiepolitik
erklären. Auch bei den Ausstiegsgesetzen droht wieder der
Eile-Fehler. Mit Hochgeschwindigkeit verabschiedet die Regierung
gleich zehn Gesetze und Vorhaben zur Energiewende, die die Grundlage
unseres Lebens und Arbeitens in den kommenden 40 Jahren bestimmen.
Warum kann man darauf nicht etwas mehr Sorgfalt verwenden? Im Sinne
eines guten Regierens verbieten sich High-Speed-Gesetze. Außerdem
planen Regierung und Koalition ein Beschleunigungsgesetz für den Bau
der neuen Stromnetze. Wenn den Bürgern aber die Windparks,
Solarkraftwerke und Hochspannungsleitungen im Rekordtempo vor die
Nase gesetzt werden, ist der Protest gegen die Energiewende
programmiert. Mehr Bürgerbeteiligung wäre notwendig. Die Regierung
muss Ländern, Gemeinden und Einwohnern einen Vorschlag vorlegen, wo
und wie die neue Energieinfrastruktur entstehen soll. Erst nach
mehreren Beratungsschleifen, bei denen die Einwände ernst genommen
werden, dürfen die Baumaßnahmen beginnen. Eile kann eine
Herrschaftsmethode sein. Wer seine Gegner neutralisieren will, nimmt
ihnen die Zeit zur Reaktion. Bevor sie sich sortiert haben, hat die
Regierung die Zukunft schon strukturiert. Auf solche Methoden
versteht Angela Merkel sich ziemlich gut. Die Abgeordneten des
Bundestages und die Bürger aber sollten sagen: Halt! Auf ein halbes
Jahr mehr oder weniger kommt es jetzt nicht an.
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