Neue Westfälische (Bielefeld): Bundespräsident Gauck kritisiert rot-rot-grüne Gespräche Über die Kraft des Wortes THOMAS SEIM

Der deutsche Bundespräsident wirkt durch die
Kraft seiner Worte, wirklich zu sagen hat er nichts. Es ist der Wille
der Verfassungsväter gewesen, dass die Gewaltenteilung nicht
ausgehebelt werden kann durch einen Einzelnen. Das ist gut so.
Bundespräsident Joachim Gauck hat sich wieder einmal in die
Tagespolitik eingemischt und kritische Worte im Blick auf die Wahl
des ersten Ministerpräsidenten aus der Linkspartei durch ein
rot-rot-grünes Bündnis in Thüringen gefunden. Die Reaktionen sind
heftig. So heftig etwa wie die Reaktionen von CDU und CSU auf den
Satz des damaligen Präsidenten Christian Wulff, auch der Islam gehöre
zu Deutschland. Genau diesen Sinn haben solche Einlassungen von
Bundespräsidenten: dass sie den kritischen Diskurs der Demokraten in
Deutschland öffnen über neue gesellschaftliche und politische
Leitlinien. Sooft und solange dies mit offenem Visier geschieht, wie
Gauck das hier tut, bewegt er sich in seinem vorgegebenen Rahmen.
Gaucks Einlassungen zu Thüringen werden den Diskussionsprozess über
Regierungsfähigkeit und -beteiligung der Linkspartei beschleunigen.
Man wird ab jetzt und nicht erst mit der Wahl des Linken Bodo Ramelow
zum Ministerpräsidenten über rot-rot-grüne Mehrheiten diskutieren. So
öffnet Gaucks Wort Perspektiven für die Bundestagswahl – ganz gleich,
ob er dies will oder nicht. Wenn man den Bundespräsidenten aber
kritisieren wollte, müsste man dies eher für sein Wirken hinter den
Kulissen tun. Seit langem führt Gauck vor allem Gespräche mit
Parlamentariern und Meinungsbildnern und schwört sie auf eine
offensivere Ausgestaltung der deutschen Rolle in der internationalen
Politik ein. Da verschiebt der Präsident die Richtlinien der Politik
im Geheimen. Das steht ihm nicht zu. Dafür gibt es eine Kanzlerin. An
Einlassungen Gaucks zur Linkspartei – da muss man dem vermutlichen
neuen thüringischen Regierungschef Ramelow wohl zustimmen – irritiert
dagegen nur eins: dass der evangelische Pfarrer den „Mitchristen
ignoriert oder gar negiert“.

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