Nun stehen sie am Tag nach der Wahl im Berliner
Ring und spielen Politiker-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert.
Da haben wir Wähler was angerichtet. Zieht man Empfindlichkeiten und
Beleidigtsein über den Wahlausgang von den Reaktionen der Parteien am
Tag danach ab, dann bleiben: 1. Angela Merkel hat einen klaren
Regierungsauftrag. Sonst niemand. Ohne Merkel hätte die Union diesen
Auftrag nicht erhalten. 2. Angela Merkel kann nicht allein regieren.
Nicht nur die Kanzlerin selbst hat in den zahlreichen Fernsehbildern
und Kommentaren die Sorge erkennen lassen, dass sie und die Union mit
einer absoluten Mehrheit über das Ziel hinaus schießen könnte. Die
Bürgerinnen und Bürger wollen eine Koalition, keine Alleinherrschaft.
3. Die Deutschen wollen erneut eine große Koalition. Zwar gibt es
auch ein paar Präferenzen in Richtung Schwarz-Grün. Aber der Favorit
ist solch ein Bündnis nicht. 4. Die SPD debattiert noch über den
richtigen Umgang mit den Wahl-Ergebnissen. Sie hat schlechte
Erfahrungen mit der Beteiligung an der letzten großen Koalition
gemacht. Deshalb sind heute die Stimmen stark, die auf Abstand dazu
gehen. 5. Die Grünen sind zwar eine alternative Option für die Union.
Sie befinden sich aber derzeit nicht in einer Situation, in der man
ihnen dazu raten kann. Außerdem fehlte einer schwarz-grünen Koalition
eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat. Nach Lage der Dinge ist auf
dieser Grundlage eine erneute große Koalition die zu empfehlende
Option. Die Kanzlerin strebt sie an, wie ihr schneller bereits heute
geführter Anruf bei SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigt. Die SPD hadert mit
ihrem Ergebnis und zögert. Aus taktischen Erwägungen ist die
Zurückhaltung der Sozialdemokraten nicht nur nachvollziehbar, sondern
zwingend. Nur mit einer klaren Linie entlang der Schlüsselforderungen
der SPD wäre den Mitgliedern ein Eintritt in eine große Koalition
erfolgreich anzudienen. Es geht nicht um Ministerämter, sondern um
die Fragen:
– Ist die Union bereit, das unsinnige Betreuungsgeld der CSU für
Eltern in sinnvolle Investitionen für Kinderbetreuung zu
überführen?
– Will die Union über eine Beteiligung privater Vermögen an der
Finanzierung von Bildung sprechen?
– Kann es einen Mindestlohn geben?
– Lohnt es sich, nach einer gemeinsamen Reform der
Krankenversicherung in Richtung Bürgerversicherung zu prüfen?
– Können die Härten einer Rentenreform mit der Rente ab 67
korrigiert werden?
– Ist eine Steuerreform mit Familiensplitting denkbar?
– Was ist mit der Union in Sachen Städte- und Gemeindefinanzierung
zu schaffen?
Alle diese Fragen müssen geklärt sein. Die Optionen der SPD sind
dann nicht schlecht. Wenn es gelingt, sie klug zu nutzen, kann eine
große Koalition unter einer Kanzlerin Merkel, die wohl ihre letzte
Amtszeit antritt, den Weg zu neuer Stärke für die Sozialdemokraten
öffnen. So ist der Auftrag der Wähler wohl zu verstehen.
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