Neue Westfälische (Bielefeld): Der Wert Europas Zahlen und Leisten CARSTEN HEIL

Deutschland war in der jüngeren Geschichte
Europas häufig des Kontinents Problem. Erst nach dem zweiten
Weltkrieg hat das Land im Zentrum, durch Adenauers gelungene Politik
der Westintegration und später durch die Annäherung Willy Brandts an
den Osten, seinen Platz in der Mitte seiner europäischen Nachbarn
gefunden. Zunächst Helmut Schmidt und dann auch Helmut Kohl haben die
europäische Integration und Entwicklung weiter vorangetrieben, indem
sie die inneren Verbindungen Europas verstärkt haben. Helmut Schmidt
weist noch heute zu recht darauf hin, das Deutschland in Europa immer
auch die Interessen der kleinen Mitgliedsstaaten berücksichtigen
muss. Helmut Kohl hat geradezu visionär mit Francois Mitterrand über
den Gräbern von Verdun Gemeinsamkeit – mehr noch – die
Zusammengehörigkeit von Deutschland und Frankreich demonstriert.
Dafür hat er viel gezahlt und geleistet – und viel bekommen: die
deutsche Einheit. Kohl konnte noch das Scheckbuch zücken, was heute
nicht mehr so einfach, aber wieder von Deutschland gefordert ist. Und
er hat die D-Mark zugunsten des Euros aufgegeben. Der Ertrag dieser
Politik ist kaum zu ermessen. 66 Jahre Frieden auf dem europäischen
Kontinent und für die meisten Menschen Wohlstand noch oben drauf. Was
manche jedoch schon in den Tagen der deutschen Einheit fürchteten,
könnte nun gefährliche Realität werden, wenn die deutsche Außen- und
Europapolitik nicht klug wird. Das vereinigte Deutschland ist zu
klein für die Vorherrschaft (die hoffentlich auch niemand mehr will)
und zu groß für das europäische Gleichgewicht. Darüber war sich die
Kriegs-und erste Nachkriegsgeneration in Deutschland noch bewusst.
Die heute verantwortlichen Politiker haben zuallermeist nicht mal
mehr die Spätfolgen der Weltkriege selbst erlebt. Das ist ein
Nachteil für eine vorausschauende Europapolitik. Dabei müsste
zumindest die in der DDR aufgewachsene Angela Merkel wissen, welche
politischen Folgen ein Krieg haben kann. Es hilft nichts: Das große
Deutschland muss sich in den Dienst Europas stellen, die Souveränität
besitzen, sich etwas kleiner zu machen als es ist. Es muss auch hier
und da den Geldbeutel öffnen und nicht kleinlich ständig auf die
Fehler der Vergangenheit anderer hinweisen. Rechthaberei führt immer
in eine unfruchtbare Auseinandersetzung. Das heißt nicht, kritiklos
die Zeche für alle zu zahlen. Aber Hilfe zu verweigern heißt, den
Nationalismus befeuern. Und das wird teurer als alles andere. Die
Regierungen von Adenauer bis Kohl haben das gewusst. Thomas de
Maizière hat recht, wenn er sagt, die Welt sei komplexer geworden als
sie zu Helmut Kohls Zeiten war. In einer globalisierten Welt ist es
für Europa aber noch wichtiger zusammenzubleiben. Die Einzelstaaten
würden schnell zerrieben. Schon die mächtigen USA haben zunehmend
Probleme sich zu behaupten. Ein zerfallendes Europa wäre auch ohne
Krieg schnell Geschichte.

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