Wer hätte das gedacht: Horst Seehofer (CSU) und
Sahra Wagenknecht (Die Linke) sind sich sehr nah in ihrem Verständnis
für die Essener Tafel. Der Beschluss, als Bedürftige nur noch
Deutsche neu aufzunehmen, sei „ein Hilferuf“ der Helfenden, sagt der
Bayer. Die Entscheidung sei „ein Hilfeschrei“, kein Rassismus, findet
die Ostdeutsche. Aha? Nun, ob rassistisch oder rechtsradikal, in
jedem Fall handelt es sich um eine Diskriminierung von Ausländern,
die in dieser Art entsetzlich ist. Dabei galt es doch als Konsens,
dass in unserem Land niemand zu hungern und zu frieren braucht. Oder?
Klar ist: Der starke Flüchtlingszustrom 2015 und 2016 hat die
Behörden ebenso wie die ganze deutsche Gesellschaft auf eine Probe
gestellt, die längst noch nicht bestanden ist. Die Politik der
offenen Grenzen, auf die wir eigentlich stolz sein dürften, statt uns
von Zynikern als Gutmenschen beschimpfen lassen zu müssen, hat uns
ein Dilemma eingebrockt. Denn die großzügige Aufnahme damals war
zugleich natürlich eine Verheißung und eine Einladung an andere
Menschen in Not. Dieses Dilemma setzt sich heute fort: Eine
großzügige Unterstützung der Armen unter den Flüchtlingen weckt
Begehrlichkeiten bei allen anderen, die bedürftig sind. Kein Zweifel:
Tafeln wie die in Essen sind finanziell und menschlich wohl
überfordert mit dem gewachsenen Andrang. Auch die Skepsis gegenüber
manchem, der sich da drängelnd in die Schlangen einreiht, ist
grundsätzlich erlaubt. Ebenso wie die Frage, ob tatsächlich alle, die
da kommen, tatsächlich Bedürftige sind – oder im Einzelfall nur
Menschen, die einfach ein günstiges Angebot wahrnehmen wollen, um ihr
Geld anderweit auszugeben. Doch Ungeduld und Vorteilssuche sind nicht
an die Herkunft oder den Pass gebunden. Die Essener Art der
Diskriminierung ist unserer Werte und unseres Landes unwürdig. Dieses
Essener Modell erwächst aus politischem Versagen. Die Zustände sind
die Folge von Fehlern im Umgang mit Flüchtlingen, etwa was Bürokratie
und Zugang zum Arbeitsmarkt angeht, aber auch im Umgang mit Armut
allgemein. Wir müssen erkennen, dass Alleinerziehende, Kinderreiche
und Senioren in unserem reichen Land ein erhöhtes Armutsrisiko haben.
Die Problemlösung darf nicht von ehrenamtlichen Helfern privater
Tafeln erwartet werden.
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