Christian Wulff ist zum Bundespräsidenten
gewählt worden und er wird seine Sache zweifellos gut machen. Doch
die Umstände dieser Wahl haben Bundeskanzlerin Angela Merkels
Schwäche erbarmungslos aufgedeckt: Nichts, aber auch gar nichts,
scheint der Regierungschefin auf Anhieb gelingen zu wollen. Selbst
eine große rechnerische Mehrheit von Schwarz-Gelb mündet nicht mehr
zwangsläufig in den erwartbaren Erfolg. Doch der Schock vom Mittwoch
könnte auch positiv als finaler Weckruf begriffen werden. Nein, es
soll jetzt nicht von einem vollmundig angekündigten Neustart die Rede
sein. Die Regierung ist erst neun Monte im Amt und hat schon mehrmals
vergeblich den Neubeginn versprochen. Merkel muss einfach regieren –
möglichst vernünftig und nachvollziehbar. Dazu gehört, den Menschen
die ungeschminkte Wahrheit zuzumuten. So war das Versprechen „mehr
Netto vom Brutto“ schon vor neun Monaten purer Unfug. Dass etwa ein
Elf-Milliarden-Loch der Krankenkassen im Jahr 2011 nicht nur mit
Einsparungen zu stopfen ist, verstehen die meisten. Neue Belastungen
sollten offen kommuniziert werden. Ehrlich zu sein, ist erste
Regierungspflicht. Die zweite besteht in dem Mut, Entscheidungen zu
treffen. Selbst wenn die kleinen Koalitionspartner ausscheren und
wieder einmal den starken Max markieren wollen. Angela Merkel muss
führen und Entscheidungen durchsetzen. Auf den Feldern, wo bisher
vertagt und gestritten wurde: Gesundheit, Wehrpflicht,
Energiekonzept. Nicht zu vergessen ein Sparpaket, das tatsächlich
einen fairen Lastenausgleich beinhaltet. Merkel hat es selbst in der
Hand, ob ihrer Regierung ein langes, unerfreuliches Siechtum
bevorsteht oder ob es aufwärts geht. Letzteres ist aber nur möglich,
wenn die Kanzlerin sich ändert.
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