Vor uns liegt 2014 – das Jahr der Europawahl. Es
ist ein Jahr, das uns die Chance bietet, Europa neu zu entdecken. Das
wird nötig sein, denn der europäische Gedanke hat viel von dem Reiz 
verloren, den er lange Jahre für die breite Mehrheit der Europäer als
Garant für Freiheit, Handel und Wohlstand besaß. Auch für uns 
Deutsche. Denn wir sind wieder wer. Zwar gingen uns vermeintliche 
Gewissheiten verloren, zum Beispiel die, dass befreundete Nationen 
wie Großbritannien oder die USA niemals das Telefon unserer 
Bundeskanzlerin abhören würden. Aber Reformen haben Deutschland 
ökonomisch wieder an die Weltspitze geführt. Vor uns liegt 2014 – das
Jahr der Fußball-WM in Brasilien. Am Tag vor Heiligabend, kurz vor 
der Tagesschau, gab es zum ersten Mal die TV-Ansprache eines 
„Fußballministers“. Der Brasilianer Edson Arantes do Nascimento – 
besser bekannt unter dem Namen Pelé – bat darin um Gnade. Als 
Werbeblock für den größten deutschen Autokonzern bescheinigte er den 
Deutschen, sie bauten schon die besten Autos, da dürften sie den 
Brasilianern nicht auch noch den WM-Titel im eigenen Land streitig 
machen. Witzig gemacht. Man schmunzelt und erwischt sich bei dem 
Gedanken: So weit kommt–s noch. Selbstverständlich wollen wir den 
Titel. Was hat das mit Autos zu tun? Viel. Die Symbolik des starken 
Deutschlands ist für uns selbst attraktiv. Unsere Nachbarn, die 
schwachen vor allem, macht sie misstrauisch. Bundeskanzlerin Angela 
Merkel neigt – wie viele deutsche Ökonomen und Politiker – dazu, aus 
der ökonomischen Überlegenheit immer stärker auch politische Vorgaben
für unsere Nachbarn zu artikulieren, zuletzt beim vorweihnachtlichen 
EU-Gipfel in Brüssel. Doch je stärker Deutschland die politische 
Unterwerfung der Nachbarn aus dem wirtschaftlichen Erfolg der 
Bundesrepublik ableitet, desto größer werden die Zentrifugalkräfte 
der EU. Das war in Brüssel schon am Widerstand gegen Merkel zu 
spüren. Ohne die EU aber verliert Deutschland. Der größte Teil des 
deutschen Wachstums entsteht im Handel mit der EU. China ist ein 
interessanter Markt, ja. Aber das Riesenreich mit weit über einer 
Milliarde Menschen steigt derzeit zur ökonomischen Weltmacht auf. 
Hinter China lauern Indien, Russland, Südafrika auf ihre Chance. Und 
Brasilien. Deutschland mit seinen 80 Millionen Menschen wird in 
dieser Konkurrenz nur mit der EU bestehen können. Die EU aber wird 
nur zusammenbleiben, wenn es gelingt, die Interessen kleinerer 
Staaten in einen Ausgleich mit denen der Schwergewichte zu bringen. 
Je stärker ein Land – Deutschland – das ökonomische Zentrum der EU 
wird, desto größer wird die Notwendigkeit, sich politisch höchstens 
auf Augenhöhe mit den Nachbarn zu bewegen – ganz gleich wie groß sie 
sind. Vor 100 Jahren haben die Europäer diese Maxime des Friedens 
nicht beachtet. Das hat in einen verheerenden Krieg geführt und das 
20. Jahrhundert zum brutalsten mit bis dahin ungekannten Opferzahlen,
Vertreibungen, Vernichtungswaffen gemacht. Zum 100. Jahrestag dieses 
Kriegsbeginns sind wir von Freunden umgeben. Aber uns ist die 
Empathie für die Basis dieses Friedens und dieser Freiheit verloren 
gegangen: Das ist die EU. Vor uns liegt 2014 – das Jahr, in dem wir 
das gestärkte Europaparlament neu wählen. Diese Wahl ist eine Chance,
nationale Egoismen zu beherrschen und die Grundlagen für die 
Konkurrenzfähigkeit des alten Kontinents gegen neue Welten in Ost und
West zu bestätigen. Wenn das die Richtung der deutschen Politik 2014 
ist, dann wird es unseren Nachbarn in Europa leichter fallen, Pelés 
„Gnadengesuch“ abzulehnen – und Deutschland zum WM-Titel zu 
gratulieren.
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