Jeder Mensch macht Fehler. Das ist eine
Binsenwahrheit. Doch Menschen, die ihr Auftreten in der
Öffentlichkeit mit einem rigorosen moralischen Anspruch verbinden und
in ihrer Selbstbeweihräucherung nicht einmal davor zurückschrecken,
sich ungefragt selbst in eine Reihe mit Mutter Teresa, Sophie Scholl
und Rosa Luxemburg zu stellen, wie es Alice Schwarzer kürzlich tat,
die dürfen keinen besonderen Bonus verlangen, wenn auch ihre
Fehltritte Gegenstand öffentlicher Diskussionen werden. Alice
Schwarzer hat zweifellos viel für die Frauenrechte in diesem Land
getan. Ihr Bundesverdienstkreuz mag sie behalten. Das ändert aber
nichts daran, dass sie mehr als einen lässlichen Fehler begangen hat.
Zu einer Zeit, als sie selbst öffentliche Fördermittel für
feministische Projekte bezog und diese Steuermittel auch lautstark
einforderte, hat sie selbst mit Hilfe eines Kontos in der Schweiz
Steuern hinterzogen. Das kann man dreist oder auch unverfroren
nennen, wie auch immer, es ist abstoßend. Aus diesem moralischen
Dilemma befreit Schwarzer niemand mehr. Auch ihre Medienschelte
bewahrt sie nicht davor, dass sie ihren Status als moralische Instanz
verloren hat. Alice Schwarzer steht ja nicht alleine in einer Reihe
von Menschen, die auf unterschiedliche Art als Vorbilder gegolten
haben. Auch der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz ist ein
Steuersünder, genauso wie Uli Hoeneß oder der Zeit-Autor und
-Herausgeber Theo Sommer. Es ist unverständlich, wieso gerade
Angehörige von Eliten so tun, als wären die Gesetze dieses Staates
für sie nicht gemacht. Als handele es sich bei Steuern um eine Art
Spende, die man gewähren darf oder nicht. Als wäre es völlig egal, ob
dieser Staat genug Geld für Schulen, Kindergärten und Straßen hat.
Oder nicht. Keiner der Personen, die jetzt als Steuersünder
Schlagzeilen machen, wären in persönliche Not gekommen, hätten sie
wie die allermeisten Bürger ordentlich ihre Steuern bezahlt. Was sind
die Lehren, die die Politik daraus ziehen muss? Um die Versuchungen
einzudämmen, ist es wichtig, die Steueroasen auszutrocknen. Aber es
bedarf auch einer gesellschaftlichen Debatte über die Verantwortung
von Eliten. ⋌alexandra.jacobson@ ⋌ihr-kommentar.de
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