Der Reflex ist immer der Gleiche und wird sich
wohl auch diesmal bestätigen: Mit dem schrecklichen Anschlag auf dem
Moskauer Flughafen Domodedowo dürfte sich der Terror ins Gedächtnis
nicht nur der Russen zurückgebombt haben. Erst vor zehn Monaten
hatten Selbstmordattentäterinnen bei einem Doppelanschlag in der
Moskauer Metro 40 Menschen in den Tod gerissen. Doch nicht allein die
Ähnlichkeit des Vorgehens weist bei der Suche nach Tätern und
Hintermännern Richtung Kaukasus. Es sind nicht nur Islamistenführer,
die dem Kreml eine blutige Besatzungspolitik im Nordkaukasus
vorwerfen. Es sind Alltagserfahrungen in einer geschundenen Region,
die es für Extremisten leicht machen, stets neue Menschen zu
rekrutieren, die bereit sind zum Äußersten zu gehen. Moskau hat kein
Mittel gefunden, Hoffnung auf eine bessere Zukunft im russischen
Staatenverbund gefunden. Es hat sie auch nicht gesucht. Entsprechend
groß ist die Verzweiflung. Die Moskauer Führung, ob Präsident
Medwedjew oder Ministerpräsident Putin, haben de facto nie einen
Dialog gesucht, um die Lage in Tschetschenien oder Dagestan zu
entschärfen. Statt dessen wurde der Unterdrückungsapparat stetig
ausgebaut und selbst die gutwilligsten und kooperationsbereiten Teile
der Bevölkerung zu einer Art Staatsfeind erklärt. Mehr noch:
Maßnahmen und Gesetze zur Bekämpfung des Extremismus, die mit der
Bedrohung aus dem Norden des Kaukasus begründet wurden, wurden und
werden auch gegen friedliche Oppositionelle angewendet. Das
Demokratiedefizit in Russland ist ebenso unerträglich geworden, wie
die Unterdrückung auf dem Nordkaukasus. Diesen Zusammenhang wagt
inzwischen niemand mehr zu benennen. Die Opposition ist mundtot
gemacht. Das stärkt die Kräfte, die auf Gewalt nur eine Antwort
haben: neue Gewalt.
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