Ein Fax aus Münster hat die politische
Landschaft in Düsseldorf aufgemischt und einen drastischen
Stimmungsumschwung bewirkt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts,
dem Antrag von CDU und FDP auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
teilweise stattzugeben, hat der Opposition plötzlich Aufwind
verschafft. Die regierende Minderheitskoalition aus SPD und Grünen
wirkte mal verwirrt, mal angefressen. Die Selbstsicherheit, mit der
sich beide Parteien an den Schalthebeln der Macht eingerichtet
hatten, war verflogen. Dabei steht der Anlass, die Entscheidung aus
Münster, in keinem Verhältnis zu dieser Wirkung. Die
Handlungsfähigkeit der Landesregierung wird durch die Anordnung
allenfalls minimal beeinträchtigt. Es geht auch nicht in erster Linie
darum, ob die Verfassung durch die Höhe der Neuverschuldung im
Nachtragshaushalt verletzt wird – die Obergrenze war bereits mit dem
Haushalt 2010 durchbrochen, den noch CDU und FDP verabschiedet
hatten. Strittig ist vor allem, ob Zuführungen an Sondervermögen mit
Krediten bezahlt werden dürfen. Die Aufregung nach der Anordnung aus
Münster, die Triumphgesänge der Opposition und die Irritation der
Koalition belegen mit Nachdruck, wie dünn das Eis ist, auf dem sich
alle Parteien in Düsseldorf bewegen. Zwar wäre das Verdikt der
Verfassungsrichter nicht anders ausgefallen, wenn SPD und Grüne eine
eindeutige Mehrheit im Landtag hätten, aber trotzdem kochte sofort
die Debatte über Neuwahlen hoch, um die instabile Situation zu
beenden. Ein Spiel mit wechselnden Mehrheiten wird es im Landtag
nicht geben. Dass CDU oder FDP der ungeliebten Minderheitskoalition
in den zentralen Fragen der Landespolitik über die Hürde helfen,
bleibt ein Wunschtraum von Roten und Grünen. Auch der Unterstützung
der Linken kann sich die Koalition nicht sicher sein. Je mehr
Rot-Grün unter Druck gerät, in der Finanzpolitik auf
Konsolidierungskurs zu gehen, je mehr sie danach suchen müssen, wo
das Land weniger Geld ausgeben kann, desto unwahrscheinlicher wird
es, dass die Linken als Hilfstruppe einspringen. Neuwahlen, über die
zur Jahreswende noch kaum jemand redete, sind wieder in aller Munde.
Selbst der neue CDU-Chef Norbert Röttgen, der in diesem Fall nach
Düsseldorf wechseln müsste, hat sich klar für eine Wählerbefragung
ausgesprochen und will nicht als Bittsteller für eine große Koalition
anklopfen, wenn Rot-Grün allein nicht mehr weiterweiß. Dass die FDP
lieber in eine Ampelkoalition einsteigen als sich den Wählern stellen
will, ist angesichts ihrer Umfragewerte nachvollziehbar. Aber Angst
vor dem Ergebnis ist das dünnste Argument gegen Neuwahlen. Die
Initiative, klare Verhältnisse zu schaffen, muss von SPD und Grünen
ausgehen. Bevor sie sich bei den zentralen Fragen der Landespolitik
wie Haushalt, Schule oder WestLB-Krise den unberechenbaren Linken
ausliefern, müssen sie dafür sorgen, dass der Wähler neu entscheiden
kann.
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