Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar USA und China Zeitenwende JOACHIM ROGGE, WASHINGTON

Was für ein Glanz, was für ein Pomp! Washington
hat Peking den ganz großen Bahnhof samt elegantem Staatsdinner und
krachenden Salutschüssen geboten und den protokollbewussten
chinesischen Gästen damit signalisiert: Von jetzt an spielen wir
beide in der gleichen Liga. China weiß um sein Gewicht und sieht sich
endgültig auf Augenhöhe mit den USA. Die Machtverschiebung zu Gunsten
des Aufsteigers aus dem Reich der Mitte ist der Beginn einer
Epochenwende, die das Interim der USA als einziger verbliebener
Supermacht auf der Welt beendet. Bestehende Misstöne wurden beim
Besuch Hu Jintaos geflissentlich überhört. Selbst Obamas öffentliche
Kritik an fehlenden Bürgerrechten im Reich der Mitte war so weich
verpackt, dass Chinas erster Mann in ungewöhnlichem Freimut
„Nachholbedarf“ in Sachen Demokratie und Menschenrechte einräumen
könnte, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Dass Obama den Namen
des inhaftierten Preisträgers Liu Xiaobo öffentlich nicht einmal in
den Mund nahm, machte Hu das Eingeständnis leichter. Von politischem
Rückgrat seines Gastgebers zeugte das indes nicht. Und doch war
dieser Gipfel, bei aller Distanz, ein Schritt in Richtung Neustart.
Dass sich beide Mächte weder vorgaukeln, in Zukunft enge Freunde
werden zu müssen, noch die Signale auf Konfrontation stellen, zeugt
von Einsicht, die am Ende beiden nutzt. Hahnenkämpfe um den Platz an
der Spitze würden nur schaden.

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