Da mögen sich die führenden Vertreter von SPD
und Grünen in NRW noch so viel Mühe geben, die Bedeutung der
Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zu relativieren und klein
zu reden. In Wahrheit wissen auch sie, dass ihnen die sieben höchsten
Richter des Landes eine schallende Ohrfeige verpasst haben. Die
Opposition von CDU und FDP hat die erste Runde im Streit um die
Verfassungsmäßigkeit des Nachtragshaushalts klar gewonnen, die
Minderheitskoalition von SPD und Grünen hat verloren – das ist die
Botschaft aus Münster. Die Gründe, warum das Gericht in einer in
Deutschland noch nie vorgekommenen Aktion der Regierung in den Arm
gefallen ist ist, lassen sich in der Begründung nachlesen. Die Folgen
einer weiteren Kreditaufnahme und die damit verbundene zusätzliche
Zinsbelastung sind demnach weit gravierender als die Einschränkung
des Handlungsspielraums der Regierung durch die Anordnung. Die
rot-grüne Regierung hat in Münster eine doppelte Niederlage erlitten.
Ihre juristische Argumentation, mit der sie die von CDU und FDP
beantragte einstweilige Anordnung verhindern wollte, wurde vom
Gericht in der Luft zerrissen. Weit gravierender ist die politische
Niederlage. Ganz offensichtlich ist das Verfassungsgericht nicht
bereit, der Landesregierung in der Frage neuer Schulden freie Hand zu
lassen. Die Verfassung schreibt vor, dass das Land nicht mehr Kredite
aufnehmen darf, als es für Investitionen ausgibt – eine Obergrenze,
die in unschöner Regelmäßigkeit von Regierungen jeglicher
Zusammensetzung durchbrochen wird, aber selten so dreist und
drastisch wie 2010 geschehen und für 2011 geplant. Es ist kaum zu
glauben, dass das Gericht in der Entscheidung in der Hauptsache zu
einer anderen Auffassung kommt. Nimmt Rot-Grün das Urteil so ernst,
wie sie jetzt sagen, können sie den Entwurf für den Haushalt 2011
wieder einpacken. Es ist kaum zu glauben, dass die darin angekündigte
Verschuldung, die wieder weit über den Ausgaben für Investitionen
liegen soll, vom Verfassungsgericht gebilligt wird. Die Begründung,
das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht sei gestört und damit eine
Überschreitung der in der Verfassung festgelegten Grenze zulässig,
wirkt angesichts der aktuellen Konjunktur- und Arbeitslosendaten
wenig überzeugend. SPD und Grünen, die in NRW trotz der fehlenden
eigenen Mehrheit zunehmend selbstbewusst auftraten und regierten,
wurde ein gewaltiger Dämpfer verpasst. Es ist abzusehen, dass die
präventive Haushaltspolitik, die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
(SPD) zu einem Markenzeichen ihrer Regierung machen und mit der sie
durch kostspielige Strukturveränderungen jetzt die Grundlage für
größere Einsparungen in der Zukunft legen wollte, in den Augen der
Verfassungsrichter keine Gnade findet. Die politischen Konsequenzen
der Entscheidung aus Münster sind noch nicht abzusehen. Zunächst
wollen und müssen alle Parteien abwarten, wie die Entscheidung in der
Hauptsache ausfällt und wie sie begründet wird. So lange sind auch
Neuwahlen kein Thema. Das Interesse an einer baldigen erneuten
Entscheidung der Wählern dürfte jetzt auch bei SPD und Grünen
abgenommen haben.
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