Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Bundeswehr-Einsätze Reise ins Ungewisse DIRK MÜLLER

Fortschritt stellt man sich anders vor. Was die
Bundesregierung in ihrem Fortschrittsbericht zur Sicherheitslage in
Afghanistan bilanziert, offenbart erneut das ganze Desaster eines
Einsatzes, in dem seit Januar 2002 bis heute 54 deutsche Soldaten ihr
Leben verloren. Im Operationsgebiet der deutschen Soldaten im Norden
des Landes stieg die Zahl der Angriffe und Anschläge im Jahr 2013
drastisch, von 1.150 auf 1.650. Landesweit gab es 27.800 sogenannte
sicherheitsrelevante Zwischenfälle. Die afghanischen
Sicherheitskräfte, die nach dem ISAF-Abzug Ende des Jahres die
Ordnung im Land aufrechterhalten sollen, verzeichneten in den ersten
elf Monaten des vergangenen Jahres mit 4.600 Gefallenen doppelt so
viele wie im Jahr zuvor. Der Anbau von Opium boomt, die
Menschenrechtslage ist, insbesondere was die Situation von Frauen und
Mädchen angeht, desolat. Afghanistans Präsident Karsai verhandelt dem
Vernehmen nach mit den Taliban. „Ausreichend kontrollierbar“ nennt
die Regierung die Sicherheitslage in Afghanistan, von „stabil und
beherrschbar“ spricht Verteidigungministerin von der Leyen. Wollen
sie uns für dumm verkaufen? Vor allem wohl soll um jeden Preis das
Eingeständnis vermieden werden, dass der Afghanistan-Krieg ein Fehler
war. Schließlich ist die weitere Militarisierung der deutschen
Außenpolitik erklärte Absicht der schwarz-roten Koalition. Was Horst
Köhler noch das Bundespräsidentenamt kostete, wird heute kaum
verbrämt auch von Nachfolger Joachim Gauck erklärt: dass deutsche
Interessen auch militärisches Eingreifen in der Welt erfordern.
Nächste Station auf diesem Weg ist Afrika. In Mali hat der Einsatz
längst begonnen. Auch hier droht die Verwicklung in einen
langwierigen Krieg mit unabsehbaren Folgen. Wo die Reise endet, ist
ungewiss: Bündnispartner Frankreich sähe die Deutschen auch gern in
der Zentralafrikanischen Republik für europäische Interessen kämpfen.
Es geht um den Krieg gegen den Islamismus, es geht um Sicherung von
Einflusssphären, Handelsbeziehungen und Ressourcen. Verkauft wird das
alles, garniert mit einem Entwicklungshilfepaket, als humanitäre
Hilfe. Schön wär–s. Der Blick zurück auf den Afghanistan-Einsatz
stimmt mehr als pessimistisch.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

Weitere Informationen unter:
http://