Dieser Etikettenschwindel bewegt die Nation.
Tiefgekühlte Lasagne enthielt Anteile von Pferdefleisch, obwohl dies
auf der Verpackung nicht angegeben war. Ein neuerlicher
Lebensmittelskandal, der wieder einmal die Diskussion befeuert, ob
das Kontrollsystem der Lebensmittelproduktion und -verteilung
hierzulande ausreichend funktioniert oder nicht. Doch bei näherer
Betrachtung ist der sogenannte Pferdefleisch-Skandal eigentlich nur
ein Symptom dafür, dass die reichen Industriestaaten dieser Welt den
ethischen Zugang zur Nahrungsmittelproduktion und zur Ernährung mehr
und mehr aus den Augen verloren haben. Lebensmittel sind in
Deutschland zur Handelsware geworden, die zwölf Monate im Jahr in
nahezu unbegrenzter Menge verfügbar ist, unabhängig vom Ort ihrer
Herstellung oder ihres Anbaus. Alles nur eine Frage des Preises. Doch
was es wirklich bedeutet, bei jeder Witterung ein Getreidefeld zu
bestellen und abzuernten, ein Schwein zu mästen oder Obst anzubauen,
das wissen viele nicht mehr. Das gilt für Erwachsene wie für Kinder
gleichermaßen. Letztere sind zumeist den Genuss von Lebensmitteln mit
Geschmacksverstärkern oder Aromen gewohnt und müssen mit, sicherlich
sinnvollen, Initiativen wie dem NRW-Schulobstprogramm erst wieder
lernen, wie ein Apfel oder eine Pflaume schmeckt, duftet und sich
anfühlt. Und zu welchen Jahreszeiten das Obst hier gedeiht und
geerntet wird. Das Bewusstsein für den wahren Wert der Nahrungsmittel
ist uns mehrheitlich abhandengekommen. Das führt da-zu, dass wir über
Lebensmittel oft gedankenlos verfügen. Wir essen Erdbeeren zu
Weihnachten, Spargel im Winter und fast jeden Tag ganz viel Fleisch.
Zu Dumpingpreisen auf der ganzen Welt intensiv produziert.
Gleichzeitig versuchen die christlichen Kirchen und
Bundesverbraucherministerin Il-se Aigner zu Beginn der Fastenzeit ein
Konzept gegen den Hunger von mehr als 870 Millionen Menschen in der
Welt zu entwickeln. Jeder brauche Zugang zu Nahrungsmitteln wie Land,
Wasser oder Saatgut, heißt es. Doch die Fakten sind frustrierend:
Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 57.000
Menschen auf dieser Welt sterben jeden Tag an Hunger. Eine Milliarde
Menschen sind schwerst unterernährt. Diese Zahlen nennt der
Welternährungsbericht der Vereinten Nationen. „Es gibt eine
permanente Hungerkatastrophe“, sagt Jean Ziegler, von 2000 bis 2008
erster UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Als
Gründe hierfür nennt Ziegler unter anderem die zunehmende
Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel, Überschuldung der meisten
Entwicklungsländer und den Agrartreibstoff. Und: „Zehn
weltumspannende Konzerne kontrollieren 85 Prozent der weltweit
gehandelten Grundnahrungsmittel.“ Es sind Fakten wie diese, die auf
der Tagesordnung der Regierungen ganz oben angesiedelt werden müssen.
Dann müssten wir nicht mühsam die Spur der Fleischpanscher aufnehmen.
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