Eingreifen oder nicht? Wenn ja, dann stellt sich
die Frage, wie! Mit Waffenlieferungen, wie es Russland gerade in 
Syrien mit fadenscheinigen Begründungen macht? Oder direkt mit 
Luftangriffen oder gar mit Bodentruppen? Der Syrienkonflikt, so viel 
steht fest, ist auf diese Weise nicht zu lösen. Aber einfach 
zuschauen, bis der Diktator Assad hunderttausende seiner Landsleute 
auf dem Altar seiner Macht geopfert hat? Oder bis die teils 
zweifelhaften Rebellen ihrerseits Tausende umgebracht haben? 
Danebenstehen und zusehen, wie der Konflikt, vor allem aber das 
syrische Volk langsam ausblutet? Hätte die NATO im Balkankrieg der 
90er Jahre auch lediglich zugeschaut, statt einzugreifen, gäbe es 
dort unzählige Opfer mehr als sowieso schon. Der völkerrechtswidrige 
Einsatz – es gab kein UNO-Mandat – hat Leben gerettet. Leben zu 
retten war damals die Triebfeder für die rot-grüne Bundesregierung, 
als sie die Bundeswehr in diesen Krieg schickte. Wer eingreift, wird 
aber immer auch schuldig. Selbst wenn er es noch so gut meint: Er 
wird unschuldige Zivilisten treffen und eigene Soldaten opfern. In 
Libyen, in Mali war die Lage überschaubar. Aber Syrien? Da gibt es 
nichts zu gewinnen. Es ist legitim, dass Staaten eigene Interessen 
und Ziele verfolgen. In Libyen war es das Öl. Moralisch betrachtet, 
darf das aber nicht der Beweggrund für Hilfeleistung sein. Es geht in
der Bewertung also erstens um den Grund des Eingreifens. Zweitens 
aber auch um das Ziel. Was will ich erreichen? Das ist der 
Unterschied zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik, wie Max
Weber es beschrieben hat. Verfolgt die Staatengemeinschaft bei einem 
Eingreifen eigene Ziele? Welche? An dieser Stelle haben sich der 
Westen und vor allem die USA hinlänglich diskreditiert. Unter dem 
Deckmäntelchen der Humanität oder mit dem Ziel, Sicherheit zu 
schaffen, wurden mit militärischen Mitteln ökonomische oder 
machtpolitische Interessen durchgesetzt. Das macht unglaubwürdig. 
Webers Ansatz aus dem vergangenen Jahrhundert bleibt richtig. 
Zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik muss ein Ausgleich 
vorhanden sein, auch realpolitisch. Drittens geht es um die 
Erfolgsaussichten. Kann man etwas erreichen? Und kann man auch das 
dann möglicherweise Erreichte verantworten? Beide Fragen sind nur 
schwer zu beantworten. Und erst im Nachhinein. Hätten die Alliierten 
den deutschen Nazi-Wahn früher militärisch zu verhindern versucht, 
hätten die ihr Teufelswerk vielleicht nicht so weit treiben können. 
Aber erst als Hitler-Deutschland so mächtig wurde, dass es die 
Alliierten bedrohte, geschah etwas. Für Syrien bleibt unter Abwägung 
dieser Argumente Ratlosigkeit. Erstens: Egal, ob die Rebellen oder 
Assad den Kampf gewinnen – beide Aussichten sind erschreckend (Ziel).
Zweitens: Syrien ist ökonomisch und geostrategisch nicht so wertvoll,
dass sich ein Einsatz „lohnt“ (Grund). Drittens: Die 
Erfolgsaussichten sind begrenzt. Es bleibt die humanitäre 
Verpflichtung. Ein Desaster.
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