Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: EU und Syrien Ende einer Drückebergerei KNUT PRIES, BRÜSSEL

Die Art und Weise, in der sich die NATO bislang
um das Thema Syrien gedrückt hat, ist einigermaßen beschämend. Es
gibt stichhaltige Gründe, weswegen ein militärisches Eingreifen die
verzweifelte Lage in Assads Reich der Finsternis nicht verbessern,
sondern womöglich verschlimmern würde. Sich argumentativ auf das
Fehlen der formalen Voraussetzung – UN-Mandat – zu beschränken und
ansonsten den Schwarzen Peter den Russen zuzuschieben ist indes zu
einfach. Jedenfalls für ein Bündnis, das mehr sein will als eine
gehobene Sicherheitsagentur. Oder was ist geworden aus dem imposanten
Aufgabenkatalog, den Angela Merkel 2006 auf der Münchener
Sicherheitskonferenz dem transatlantischen Bündnis auf den Tisch
legte? „Permanente gemeinsame Analyse von Bedrohung“, „politische
Konsultation über neue Konfliktherde“, „Koordination politischer und
militärischer Aktionen“. In Sachen Syrien hat sich die Kanzlerin
statt dessen blind und taub gestellt. Insofern hat der
türkisch-syrische Luftkampf über dem Mittelmeer seine nützliche
Seite: Er zwingt das Bündnis, sich eingehend mit dem Thema zu
befassen. Und zwar nicht im Sinne einer militärischen Eskalation,
sondern im Sinne einer Mobilisierung politischer Kräfte und
Möglichkeiten. Es gibt einen NATO-Russlandrat, und es ist nicht
einzusehen, warum der nicht mit der Frage konfrontiert werden soll,
wie dem Morden in Syrien Einhalt geboten werden kann. Es ist
begrüßenswert, dass Türken wie Syrer bislang der Versuchung
widerstanden haben, den brisanten Zusammenstoß zu einem
Bewährungsfall für patriotischen Stolz und Wehrhaftigkeit auszurufen.
Die Beratung im Nordatlantikrat kann dazu beitragen, dass dies
mindestens auf der türkischen Seite so bleibt. Und für die NATO
bleibt Syrien bis auf weiteres eine politische Aufgabe, keine
militärische.

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