Helmut Kohl hat dementiert, über Angela Merkel
gesagt zu haben: „Die macht mir mein Europa kaputt!“ Das Dementi
trägt zur Wahrheitsfindung nichts bei – Kohl würde den Ausspruch
immer bestreiten, ob er ihn getan hat oder nicht. Und in jedem Fall
passt er zur Lage. Er passt zum Eindruck, den viele europäische
Partner angesichts des Kurses der Kanzlerin in der Schuldenkrise
haben. Er passt zur Sorge ihrer Parteifreunde auf EU-Ebene, die
Merkel aufgefordert haben, die europäische Flagge etwas deutlicher zu
hissen. Das hat nichts gefruchtet. Merkel ist in Sachen Europa so
schmallippig wie eh und je. Zwei mildernde Umstände sind in Anschlag
zu bringen. Erstens ist sie bekanntlich nicht der feurige Typ. Als
sie als designierte Kanzlerin gefragt wurde, ob sie sich freue,
verstand sie die Frage nicht. Leidenschaft ist, was sie in Bayreuth
im Opernhaus anguckt. Zweitens hat sie beim Management der Krise
Tugenden an den Tag gelegt, von denen auch die anderen etwas hatten:
gegen manche Hektik der Mitbewohner von Euroland; gegen deren
Neigung, mit dem Geld anderer Leute Großzügigkeit zu üben; gegen
allzu unbekümmerten Umgang mit dem geltenden Recht hat sie eine
Zurückhaltung geübt, die dem Sparwillen der Schlingerstaaten
förderlich war. Auf Merkels Skizzenblock sah auch alles prima aus:
Griechenland bekommt Überbrückungsgeld und spart sich gesund. Der
Stabilitätspakt wird verschärft, damit keiner mehr verjubelt, was er
nicht hat. Und für den äußersten Fall gibt es Nothilfe, die so
attraktiv ist wie Wurzelbehandlung. Leider hat das den Praxistest
nicht bestanden. Märkte, Ökonomen, weite Teile der Politik haben der
Methode Merkel – hier ein Schräubchen, da ein Hebelchen – nicht
getraut. Das Konzept ist längst an seine Grenzen gekommen, ein neues
hat der Urheberin indes nicht zu bieten.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de