Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Europadebatte im Bundestag Ein Treffer ins Schwarze ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Regierungserklärungen in Wahlkampfzeiten
tendieren naturgemäß stärker in Richtung ausgeprägtes Eigenlob.
Bundeskanzlerin Angela Merkel klopfte sich symbolisch gesprochen
kräftig auf die Schulter für die Verabschiedung des sechsjährigen
EU-Budgets. Die Schilderung der Vorzüge dieses Etats folgte den schon
hinlänglich bekannten Linien der Merkel–schen Europa-Erzählung in
anderem Gewand: Wieder einmal habe die Kanzlerin in Brüssel so
verhandelt, dass die Schatulle des deutschen Steuerzahlers nicht
übermäßig belastet wird. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
monierte hingegen, dass Merkel die treibende Kraft für einen Sparkurs
sei, der andere Länder in Depression und Verelendung treibe. Solche
Attacken von Seiten der SPD erweisen sich aber als ein stumpfes
Schwert, weil die Sozialdemokraten die Europapolitik der Kanzlerin
bisher im Wesentlichen mitgetragen haben. Und Steinbrücks Hinweis,
dass Merkel eine „unheilige Allianz“ mit dem britischen Premier und
EU-Kritiker David Cameron eingegangen sei, geht auch ins Leere. Wäre
es denn besser gewesen, wenn die Kanzlerin versucht hätte,
Großbritannien aus der EU zu vergraulen? Nein, da muss man dem
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle zustimmen, der sagte, es spreche
für Merkels Verhandlungsführung, dass sowohl Großbritannien als auch
Frankreich mit dem EU-Budget zufrieden seien. Überhaupt nicht
zufrieden kann man mit der Behandlung aktueller Fragen wie der
Finanztransaktionssteuer oder des Mindestlohns durch Merkel sein: Sie
erwähnte sie nicht einmal. Die Kanzlerin drückte sich davor, Stellung
zu beziehen und eine Richtung aufzuzeigen. Das ist ein Ärgernis.
Steinbrück traf voll ins Schwarze, als er Merkel eine Neigung zum
Lavieren und Nichthandeln vorwarf und sie aufforderte, sich endlich
in die Niederungen aktueller Debatten zu begeben.

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