In der Debatte um Mario Draghis Shopping-Tour
auf den Anleihemärkten stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: Darf der
das? Und: Bringt es was? Im deutschen Finanz-Establishment lautet die
Antwort in beiden Punkten überwiegend: Nein. Die Kritik gilt indes
mehr dem Schutz des eigenen Wohlstands vor Ansteckung als der Sorge
um das kränkelnde Gesamtsystem. Die Gegner werfen der EZB Einmischung
in die Wirtschaftspolitik und unzulässige Staatsfinanzierung vor –
eine Überschreitung des Mandats. Draghi beharrt darauf, die Maßnahme
bleibe im Rahmen des Auftrags. Eine verbindliche Entscheidung wird
der Europäische Gerichtshof liefern müssen. Dabei geht es aber
nurmehr darum, ob die im Zuge des Krisenmanagements der vergangenen
Jahre ständig vorgenommene Dehnung der Rechtsgrundlagen an diesem
Punkt zur unzulässigen Über-Dehnung geworden ist. Politisch ist
längst klar: Was einst versprochen und in Gesetzestext gegossen
wurde, hat der Realität nicht standgehalten. Fragt sich nur, welche
Konsequenzen man daraus zieht. Draghis Geld-Doping soll Wachstum
ermöglichen und Deflation verhindern. Dabei liegt die Kern-Inflation
– ohne Energie und Lebensmittel – derzeit bei 0,7 Prozent, also noch
auf Abstand zur Null-Linie. Doch Deflation ist wie Giftgas – wenn es
tatsächlich da ist, ist es zu spät. Man bekämpft folglich nicht
Deflation, sondern Deflationsgefahr. Ob dieser mit der Waffe der
Geldvermehrung wachstumswirksam vorzubeugen ist, hängt davon ab,
wohin das Geld fließt. In Investitionen? Immobilien? Aktien? Anlagen
außerhalb der EU? Wie Sie hören, sagen wir nichts – offiziell gilt
auch in der Brüsseler EU-Zentrale in Bezug auf die EZB in Frankfurt
das Gebot äußerster Zurückhaltung. Es wäre „nicht weise, intelligent
und nützlich“, wenn er sich zu Maßnahmen der unabhängigen
EU-Notenbank einlasse, meinte Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Potenzielle Nebenwirkungen sind unübersehbar. Das Haftungsrisiko,
nicht zuletzt für Deutschland als größten Bürgen, steigt, die
Reformunlust in Italien, Frankreich und anderen Sorgenländern
womöglich auch. Doch Draghi ist nicht aus schierer Übergriffigkeit
aktiv geworden oder um den Merkels, Schäubles und Weidmanns zu
zeigen, was eine monetäre Harke ist, sondern aus Not. Es ist die Not
vieler Partner, die an der Vorgabe scheitern, gleichzeitig zu sparen
und die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Die Frage ist nicht, ob
Draghi das darf, sondern, ob er das musste.
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